Vierter Adventsonntag, 22. Dezember 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Sie leben im 21. Jahrhundert und hören sich ernstlich Geschichten von Königen, Propheten, Engeln und Jungfrauen an? Seltsam, nicht wahr? Seltsam, dass die Bibel immer wieder funktioniert. Ahas, der Mann aus der Lesung, ist ein moderner Mensch. Der König ist in großen Schwierigkeiten. Sein Land und damit auch seine Familie sind in einer ausweglosen Situation: Syrien und das Nordreich greifen an. Da will der Prophet Isaias ihm Mut machen. Er bietet ihm ein Zeichen Gottes an. Ein Zeichen, das sagt: Es wird gut gehen, hab keine Angst. Doch Ahas will kein Zeichen. Er glaubt durchaus an Gott. Er sagt ja nicht zu Isaias: Hör‘ mir auf mit deinem Gott; Gott gibt es nicht. Aber Ahas will nichts von Gott. „Ich will nichts erbitten und den Herrn nicht auf die Probe stellen.“ Das klingt bescheiden, demütig. Aber es bedeutet im Klartext: „Gott soll mich in Ruhe lassen. Ich lebe mein Leben.“ Viele denken so. Es geht diesem Mann schlecht, aber er will keine Hilfe. Jedenfalls nicht die von Gott. Er würde ein Wunder akzeptieren, – aber nicht den, von dem es kommt. Viele sind so. Eine wunderbare Rettung aus schwerer Krankheit wäre toll. Aber Gott sollte sie vor die Tür legen, nachts, heimlich – und sich selber nicht zeigen. Sonst müsste man ihm ja begegnen, sich auf ihn einlassen. Eine Verzeihung wäre toll. Aber bitte einfach so, ohne Gespräch, ohne Fragen, denn sonst müsste man sich auf die betrogene Frau ja einlassen. Ahas will kein Zeichen. Es könnte sein, dass er das Zeichen versteht, – und sich alles ändert. Er erträgt lieber das Schlechte, als dass er etwas Neues wagt. Viele machen das so. Sie wollen mit Gott nichts zu tun haben und ärgern sich lieber über die Kirche. Der Prophet ist nicht so modern wie der König. Propheten sind Menschen, die hinter die Dinge sehen. Nicht, um Verschwörungen aufdecken. Sie sind nicht im Internet, sondern in der Stille. Aufmerksam. Bereit, auch das zu hören, was sie nicht hören wollten, zu sehen, was nicht in Mode ist. Propheten sind Männer und Frauen, die nicht Bescheid wissen über Gott, sondern Gott begegnen. Und Gott sagt ihnen: Sieh! Sieh und rede! Gott verwandelt sie. Da hat der Prophet ein Bild vor Augen: eine junge Frau, die ein Kind zur Welt bringt. Maria ist ganz anders als Ahas. Naiv ist sie nicht: Sie stellt Fragen, ganz richtige. Passiv und dumpf ist sie auch nicht: Sie entscheidet sich. Feig ist sie nicht: Sie wagt den Schritt in etwas ganz Neues, Unbekanntes. Die Frau traut sich, sich auf Gott einzulassen. Ganz wenige tun das. Man kann 40 Jahre lang in die Kirche gehen, ohne sich auch nur einmal auf Gott einzulassen. Drei Menschen, drei verschiedene Arten, Gott zu begegnen; dreierlei Umgang mit dem Zeichen: Der eine lehnt es ab; der andere sieht das Zeichen, die dritte ist das Zeichen. – Moderne Menschen suchen nicht nach Zeichen, heißt es. Unsinn. Eine Fußballmannschaft ist mehr als elf Männer, die hinter einem Ball herlaufen. Sie ist ein Zeichen für ihr Land. Ein BMW ist mehr als ein Auto. Er ist ein Zeichen für Erfolg und Männlichkeit. Jeder von uns geht mit Zeichen um: mit Dingen, die mehr bedeuten als das, was sie konkret sind. Unsere Aufgabe hier ist es, die Zeichen zu verstehen. Was bedeutet das Zeichen der Jungfrau, die ein Kind gebiert? Wir hören: „Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.“ Und: „Heiliger Geist wird über dich kommen.“ Die, die die Bibel kennen, erinnern sich, dass es auf den ersten Seiten heißt: „Am Anfang war die Erde wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut. Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.“ Immer, wenn vom Heiligen Geist die Rede ist, bedeutet das Schöpfung. Neuer Anfang. Die Geburt Jesu ist also: neuer Anfang, Schöpfung – nicht Zeugung. Jesus wird in Maria erschaffen, nicht gezeugt. Sine semine. Die Geburt eines Erlösers aus einer Jungfrau, das kennen viele Völker. In den Sagen der Völker zeugt die Gottheit ein Kind mit einer Menschenfrau. Die Bibel ist anders. In der Bibel ist die Empfängnis Jesu eine Neuschöpfung und nicht eine Zeugung. Jesus ist nicht halb Mensch, halb Gott, sondern ganzer Mensch und ganzer Gott. Jesus ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Die Empfängnis Jesu bedeutet nicht, dass da ein neuer Gott-Sohn entsteht und nicht, dass Gott jetzt Vater wird. Gott ist immer schon Vater, Sohn und Geist. Gott ist Gott und nicht ein Mann. Auch keine Frau. Gott zeugt nicht, er erschafft, aus dem Nichts. Das kann kein Mensch. „Sohn Gottes“ wird Jesus nicht genannt, weil Gott-Vater ihn irgendwie wie ein Mann gezeugt hätte. „Sohn Gottes“ ist ein Titel aus dem Alten Testament und bedeutet: König der Welt. Wenn Sie vor der Krippe stehen werden und das Kind betrachten, können Sie sehen: Hier beginnt die neue Schöpfung. Eine neue Welt in dieser alten Welt. Und der, der die neue Welt regiert, heißt: Jesus. Vielleicht sagt er Ihnen: Du wirst mich verstehen, aber nicht jetzt. Du wirst mich sehen, aber nicht heute. Du musst mich nicht verstehen. Ich bin da. Das genügt. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.