Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Montag der Dritten Adventwoche, 16. Dezember 2019

16/12/2019 


Die Überraschung

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Fakten, Tatsachen, Dinge, die feststehen. Morgen in einer Woche ist Weihnachten, das steht fest. Und an Weihnachten gibt es eine Menge von Dingen, die sein müssen, genau so und nicht viel anders. Es ist beinahe, als ob man einen Zauber bräche, wenn man in diesen Tagen etwas auf neue Weise macht. Es regiert das Man: Man muss doch… Natürlich gibt es Ausbrecher, echte Revolutionäre, die das Lametta ungebügelt auf den Baum werfen. Es gibt wilde Leute, die in die Karibik fliegen oder sich nichts schenken, „um dem Rummel zu entgegen“. Leider hatte Trotz noch nie Charme, und das stolze Herzeigen der Tugend war noch nie schön.

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Vielleicht ist die Kirche gar keine Versammlung von Funktionären und Dogmen; vielleicht ist die Kirche gar kein Gebirge aus Kunstschätzen, Verbänden und Gemeinschaften. Vielleicht ist die Kirche in Wahrheit etwas wie eine Fee, die die Kinder ganz leicht an der Hand nimmt und durch geheimnisvolle Türen in fremde Länder führt, wo erstaunliche, schöne Wesen leben. Ich bin gern der kleine Junge, der sich von der Kirche durch die Seiten des großen Buches führen lässt, vorbei an den lieben Heiligen, durch wunderschöne Melodien hindurch und uralte Bräuche – und habe dabei nie den Eindruck, habe noch nie in meinem ganzen Leben gedacht: Alles nur Zauber, alles nur Traum. Die Kirche zeigt uns Wirklichkeiten hinter dieser Wirklichkeit hier.

Der Erwachsene in mir weiß ganz klar: Wenn Maria dem Engel gesagt hätte: Jetzt nicht, heute muss ich Fenster putzen; wenn Joseph aufgewacht wäre und hätte zu sich selbst gesagt: „Bah, nur ein Traum, ein Hirngespinst“ und hätte einfach den nächsten Kasten gezimmert; wenn die drei Weisen nur in ihre Bücher geschaut hätten, aber kein einziges Mal hinauf zu den Sternen: Es wäre alles ganz anders gekommen. In der Kirche begegne ich nicht Bischofskonferenzen, sondern Menschen, die mehr sehen.

In Tagen, an denen viel zu viel feststeht, viel zu viel genau so sein muss und nicht anders, da kommt die Kirche, die wir lieben und zeigt uns das, was gar nicht feststeht. Bileam war ein Prophet. Es war in Zeiten, wo die Könige sich Propheten hielten. Sie sollten sehen, was kommen würde; sie sollten segnen oder verfluchen, gerade wie es der König brauchte. Alle glaubten noch an die Macht des Segens und die Macht des Fluches; sie glaubten, dass hinter den Worten mehr ist als nur der Lufthauch, der entsteht, wenn einer sie ausspricht. Bileam war also Prophet im Dienst des Königs von Moab und er sollte die Israeliten verfluchen, die gegen den König von Moab heranzogen. Das war der Plan. Das stand fest.

Doch der Plan zerbricht in hundert Stücke. Der Prophet sieht und er segnet. Aber alles andere führt der Geist Gottes in eine ganz neue Richtung. Gott bricht ein in Menschen-Pläne. – Wie konnte es so weit kommen, dass wir diese Möglichkeit nur noch ahnen, wenn uns etwas Arges zustößt? Warum finden wir Gott nicht mehr im Wunderbaren? Im Guten? Und schon gar nicht im Schönen? Warum verbinden die Leute den Glauben mit Krankheit, Not und Tod, aber nicht mehr in Poesie, Zartheit, Kraft, Herrlichkeit? Das Christentum ist doch nicht Leid und Tod, – Bileam sieht Bachtäler, „Gärten am Strom“, „Eichen vom Herrn gepflanzt“, Zedern am Wasser…

Wer macht Sie groß in diesen Tagen? Wen machen Sie groß und weit? Wer macht Sie schön in diesen Festtagen und wen machen Sie schön? Es ist, wie wenn sich alles zusammengetan hätte, um uns klein und immer kleiner zu machen. Sie reduzieren uns auf Kunden, auf Angestellte oder Chefs, auf Verwandte, sie reduzieren Weihnachten auf ein großes Essen und einen Berg Geschenkpapier und müde Augen.

Die Kirche erzählt uns heute von dem Mann mit geschlossenen Augen, der Gottesworte hört; von dem Mann, der sieht, der „daliegt mit entschleierten Augen“. Von einem Menschen dazwischen, blind und sehend zugleich; von einem, der aufblickt und einen geheimnisvollen König sieht, – „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe“ – einen König, der retten wird. Und wir sehen nur das, was gerade vor Augen liegt: ein Krippen-Kind.

Vielleicht entdecken Sie mit Hilfe unserer Kirche in all dem, was so felsenfest steht, wo Sie Bescheid wissen, weil Sie ja schon groß sind, vielleicht entdecken Sie in all der Sicherheit auch die Unsicherheit. Sie kann köstlich sein. Vielleicht entdecken Sie die Schönheit und das Abenteuer des Glaubens. Vielleicht geht Ihnen auf, dass Advent bedeutet: offen für Überraschungen, neue Blicke. Maria lehrt Sie das, Joseph macht Ihnen Mut. Weil wir sonst die Verheißung überhören – oder gar nicht merken, dass sie längst eingetroffen ist. „Ein Stern geht auf in Jakob, ein Zepter erhebt sich in Israel.“

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

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