Montag der ersten Adventswoche, 2. Dezember 2019
Montag der ersten Adventswoche, 2. Dezember 2019 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Jesus war erstaunt.“ Was erstaunt den Juden? „Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemandem gefunden.“ Wer glaubt da? Ein Römer. Kein Jude. Ein Heide. Ein Feind. Ein Fremder. Wer weiß, welche Götzenbilder der zuhause stehen hat? Als gesetzestreuer Jude kann Jesus das Haus des Mannes nicht betreten. Es ist nie einfach mit den Heiden. Es ist immer schwierig mit denen, die etwas anderes glauben als wir. „Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemandem gefunden.“ Der Mann hat kein Credo aufgesagt, keinen Rosenkranz gebetet; er hat auch an keinem Gottesdienst der Evangelikalen teilgenommen, nicht an einer tridentinischen Messe und an keiner Synode. Er hat nur geglaubt, dass ein einziges Wort Jesu rettet. Und Jesus sagte: „Viele werden von Osten und Westen kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.“ Hier endet das auserwählte Volk, und es beginnt die weltweite Kirche. Nicht mehr Rasse und Ritus sind entscheidend, sondern allein der Glaube. – Der Glaube: etwas, das von Natur aus auf dem Weg ist, das sich entwickelt. Der Glaube, den es gibt von ganz mangelhaft bis ganz dicht, von kindlich bis erhaben. Der Glaube, der so viele Bilder kennt und so viele Formen. Der Glaube, der geformt und geleitet wird von der Kirche. Nicht von irgendwelchen Einzelnen, sondern von der Tradition, dem Lehramt, der Gemeinschaft aller Gläubigen. Haben Sie das Bild vor Augen? Rom. Der Platz vor St. Peter, jener Kirche, unter der Petrus begraben ist, der Fürst der Apostel, das Haupt der Zwölf. Sehen Sie den weiten Platz umfangen die Kolonnaden Berninis. Weite, offene Arme. „Alle Völker sind ja eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem ganzen Erdkreis wohnen ließ; auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel.“ So das Zweite Vatikanische Konzil, in der „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“. Dort heißt es weiter: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen… die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält…, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet. Unablässig aber verkündet sie“ – die Kirche – „Christus, der ist ‚der Weg, die Wahrheit und das Leben‘… in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“ (2). Der Souveräne Malteser-Ritter-Orden feiert heute das Fest „Unsere Liebe Frau von der Freude“. Drei Ritter des Ordens, die von den Sarazenen eingekerkert worden waren und später befreit wurden, hatten eine Ikone der Muttergottes von Ägypten bis nach Frankreich getragen. Dort wird sie bis heute in einem Ort namens Liesse verehrt. „Liesse“ heißt auf Französisch „helle Freude“. Der Weg der drei Ritter hat durch die weite Welt geführt, bis er ans Ziel kommt und Heimat findet in einem Ort, der „Freude“ heißt! Was zeigt uns das Bild, das dort verehrt wird? Eine Frau. Eine Mutter. In einer der Kirchen Roms stand, abgestellt auf einem Seitenaltar, kein Faun, kein Satyr, kein Katzengott, kein aztekischer Sonnengott und kein germanischer Hammergott, kein Gräuel. Da stand das Symbol einer Mutter. Der Weg vom Bild der Mutter Erde zu einem Bild Marias ist weit, und ich persönlich hätte es nicht dorthin gestellt, aber es war ein Bild der Mutter. Es war keine Lüge. Es war noch nicht einmal eine Konkurrenz. Von einer Anbetung des Bildes durch die Bischöfe kann keine Rede sein. Jeder, der auf die Sprache achtet und jeder Theologe weiß zu unterscheiden zwischen Achtung, Verehrung und Anbetung. Drei verschiedene. Und da kommt ein junger weißer Mann, nimmt das Bild, das vielen Menschen dieser Welt heilig ist, – Menschen, die seit Jahrhunderten von weißen Männern ausgebeutet werden! –, er nimmt also das Bild und wirft es in den Fluss. Dabei beruft er sich auf göttliche Gebote. Und als der Nachfolger des Apostels Petrus und der Kardinal-Erzbischof von Wien die Tat verurteilen, lenkt er nicht ein, und auch die um ihn herum lenken nicht ein. Keiner sagt: Es tut mir leid, ich habe mich geirrt, ich bitte um Vergebung. Nein, man beharrt. Sie rufen: „Man muss dem Papst gehorsam sein“, sind es selbst aber nur solange der Papst tut, was sie für richtig finden. Es brauche die Gewalt wütender junger Männer, die den Bischöfen widerstehen: So habe ich es noch gestern aus dem Mund „guter Katholiken“ gehört. Mit diesem Beharren hält ein Geist Einzug in unsere Kirche, der das persönliche, das Urteil des Einzelnen über das der Kirche und des Amtes stellt. „Hier stehe ich!“, ruft dieser Geist. „Hier stehe ich und habe Recht gegen den Papst und gegen die Gemeinschaft der Bischöfe und den Sinn und das Fühlen der meisten Gläubigen.“ Es ist der Geist Luthers, der aus dem Mund sogenannter guter Katholiken fährt. Was sprengt die große Einheit der Kirche? Die Lüge natürlich, alle Todsünden und: das „Ich!“ Das Beharren des Einzelnen, das am Anfang der Häresie und am Anfang der Sekte steht. Was ist zu tun, wenn einer die Kirche nicht versteht, wenn er ihr nicht folgen kann, wenn ihr Weg ihm Schmerzen bereitet? Ich darf in diesen Fragen mitreden, glauben Sie mir. Was ist zu tun? Zu leiden. Zu beten. Freimütig zu reden. Ehrfürchtig zu schweigen, wie die französischen Jansenisten im 17. Jahrhundert (die, wenn das eine Rolle spielt, aus weitaus besseren Kreisen stammten als die Österreicher, die da heute die Revolution in die Kirche tragen). Oder man hält es wie der Erzbischof von Cambrai, Fénelon, der in einer theologischen Frage mit Rom im Zwist war. Es war ein Sonntagmorgen, als der Bote aus Rom die Verurteilung der Thesen Fénelons brachte; der Erzbischof kleidete sich eben zur Messe an. Er stieg auf die Kanzel seiner Kathedrale und hielt eine Predigt – über die Autorität der Kirche. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.