Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Fest des hl. Martin von Tours, 11. November 2019

11/11/2019 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Hl. Geistes

Was ein Anfänger! So müssten Sie denken vom heiligen Martin, dem jungen Soldaten – damals kaum 16 –, der seinen Mantel halbiert und dem Bettler eine Hälfte zuwirft. Ob er dabei gelächelt hat? Von „unseren Herren Kranken“ der Ordensritter ist der Junge noch weit entfernt. Er reitet in die Nacht.

Was für Anfänger! So müssten Sie denken von denen, die heute Martini feiern und dabei sagen: „Man muss teilen!“ Man muss gar nichts. Das ist so typisch für die Kirche von heute: Es wird eine Moral angefertigt. Eine kleine Moral. Kindergarten-Ratschläge für Erwachsene. Nützlich, überschaubar, praktikabel, effektiv. Wirksam, ohne die Seele zu berühren. Das Einzige, was solche moralischen Ratschläge können: einem ein Wohlgefühl verschaffen und Ansehen bei anderen. „Ich habe etwas von meinem Wohlstand geteilt, mir geht’s gut; die anderen haben es bemerkt, die anderen finden mich gut.“ Als ob Gott sich für Wohlbefinden und Ansehen interessierte!

Martin wurde heilig nicht in dem Moment, den man heute den Kindern vorspielt. Er wurde dann heilig, jeden Tag danach. Jeden Tag mehr war er bereit, Ansehen bei den Leuten zu verlieren – und bei Gott zu gewinnen. Von jenem Tag in Amiens an wuchs die Bereitschaft zu lassen, zu leiden, zu geben. Viel mehr als einen halben Mantel: sich selbst. Und jetzt erkannten seine Zeitgenossen. Sie sahen nicht eine Geste, die keinem weiter weh tut, sondern sie erkannten die Seele eines Mannes, der Gott sucht. Ihm konnten sie sich anvertrauen. Nicht einem jungen Soldaten, sondern einem Heiligen. Eine ganze Epoche hat sich Martin von Tours anvertraut.

Er wurde 316 oder 317 geboren als Sohn eines römischen Militärtribuns. Sein Leben reicht von Ungarn über Italien bis nach Frankreich. Er zögerte lange, sich taufen zu lassen. Er war Schüler des großen Theologen und Heiligen Hilarius von Poitiers. Er gründete das erste Kloster des Abendlandes. Er war Asket, Einsiedler und Mönch. Bischof von Tours wurde er, weil ihn das Volk dazu ausrief, und er war dem Volk gehorsam. Er war ständig unterwegs, ein Stratege der Mission, in der großen Politik und den Streitfragen seiner Zeit, Bindeglied zwischen Rom und dem Reich der Franken. Unfassbar populär in einer Zeit ohne Massenmedien. 397 ist er gestorben. Martin von Tours wurde der Schutzheilige der fränkischen Könige, Nationalheiliger Frankreichs.

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Ein Stück Militärmantel, eine kleine Kirche in Wien, ein Stück Brot, ein paar Ritter, ein Schluck Wein… alles das hat nicht viel Sinn. Und reicht doch hinein ins Gewaltige. Aus dem Mantel wurde der heilige Martin von Tours, fünf oder zehn Ritter in einer kleinen Kirche stehen für einen großen Orden, der zurückreicht in die Geschichte und sich in die Zukunft streckt. Und das bisschen Brot, der wenige Wein: Sie wissen, was daraus wird, in jeder Heiligen Messe, wenn Gott zugreift auf diese Gaben und auf uns. Was eine einzige, unbeholfene, halbe Geste auslöst! Was ein schwaches Zeichen, das die meisten gar nicht wahrnehmen, was dieses Zeichen bedeutet!

Zeichen und Gesten erhalten ihren Glanz durch das, was sie versprechen. Sie sind gleichzeitig nicht viel und sehr viel. In den kleinsten Gesten der Kirche ist das Große. Schon deswegen ist das Fest des hl. Martin ein Fest der Hochherzigkeit gegen alle Kleinlichkeit.

Was die Geste enthält, sagt uns die Heilige Schrift. „Damit ich ihnen Schmuck bringe anstelle von Schmutz“, heißt es in der Lesung.

Schmuck… ein Stück von einem Mantel? Martin hat diesem Armen „Schmuck“ gebracht? Ja. Die Geste des Teilens ist nicht das Erste und nicht das Entscheidende. Das Erste ist die Zuwendung. Dass sich der junge – und vermutlich stolze – Soldat dem Bettler überhaupt zuwendet; dass er die Begegnung zweier sonst absolut getrennter Welten möglich macht; dass er den Mann im Tor anerkennt als einen mit Würde und Recht, sei es nur das Recht auf Hilfe: Das alles ist Schmuck für diesen Mann im Tor. In einem Alter, wo Jugendliche sonst nur sich selbst sehen, sich für große Ideen begeistern, aber kaum für den konkreten Menschen, da nimmt Martin diesen einen Menschen wahr. Das Teilen des Mantels ist heilig, weil es aus der Achtung kommt und auf Größeres hingeht.

Das also ist die erste Art, den anderen zu schmücken: ihm Achtung zu erweisen. Aus der dann die praktische Hilfe wird. Hilfe ohne Achtung schmückt den anderen nicht. Unsere Hilfe soll so sein, dass sie den Armen schmückt.

Die Geste ist mehr, als sie zu sein scheint: Auch weil der Adressat der Geste mehr ist, als er zu sein scheint. „Das habt ihr mir getan.“ Dieses Wort erleuchtet das Gesicht des Bettlers im Stadttor. „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet sein.“ Es geht um Geste und Gegenüber und um Gericht. Um Verantwortung, Freiheit, Entscheidung, Würde. Es geht um die wahre Dimension unserer Taten.

„Damit ich alle Traurigen tröste, ihnen Schmuck bringe anstelle von Schmutz.“ Ein Christ schmückt und ehrt seinen Nächsten. Das kann er, weil die Seele des Christen selbst geschmückt ist und voll Freude. Sie ist ja getauft; sie gehört zur Kirche. Voller Glanz.

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