Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Hochfest der Aufnahme Maria in den Himmel, 15. August 2019

15/08/2019 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Noch der unachtsamste, trockenste, grantigste Mensch spürt: Da wird etwas gut. Die Mutter Christi wird in den Himmel aufgenommen, mit Leib und Seele: der ganze Mensch. Am Ende wird alles gut.

Was den Himmel betrifft und das Leben nach dem Tod, gibt es Meinungen. Die einen sagen: Alles aus, einfach Schluss; nach dem Tod kommt nichts mehr. Andere sagen: Irgendetwas von mir wird bleiben. Was genau? Die Erinnerungen an mich? Das währt nicht lange. In zwei, drei Generationen ist jeder vergessen. Oder bleibt die Materie, aus der ich war? Sie wird verwandelt in Energie? Diese Energie, bin ich das dann? Also ein anonymer physikalischer Prozess? Was hätte das mit mir zu tun? Mit dem, was mich gefreut hat, was mich verletzt hat, mit dem, was ich geliebt habe? In den Erdkrümeln, die von mir bleiben, soll etwas von meinem Wesen und meiner Geschichte sein?

Alle diese Antworten sind kalt und klein, misstrauisch. Die Antwort der Kirche ist großartig und kühn und zärtlich und eine Freude. Die Kirche sagt: Mit Leib und Seele wird der Mensch aufgenommen in die Welt Gottes. Sie sagt: Der Mensch ist Geist und Körper. Meine Seele ohne meinen Körper, das bin nicht ich. Mein Körper allein, ohne die Seele ist nur eine Maschine. Erst wenn der ganze Mensch bei Gott ist, mit einem verklärten Leib und einer hellen, geläuterten Seele, dann ist alles gut.

Maria ist der einzige Mensch, der das sofort erlebt. „Ihr Leib schaute die Verwesung nicht“, heißt es. Maria gleich, wir nach der Läuterung. Denn wir haben Sünden, Maria nicht. Am Ende aber wird jeder Geläuterte mit Leib und Seele bei Gott sein: der ganze von Gott erschaffene Mensch.

Ist das abgehoben? Abgehoben ist die Berliner Mutter, die vor Gericht zieht, weil ihre Tochter nicht im Knabenchor singen darf. Abgehoben sind junge Priester, die die Kirche zu einem Museum machen wollen. Aber wie ich meinen Körper sehe, ob ich meine Seele hüte, das ist nicht abgehoben. Leben und Tod, Zeit und Ewigkeit: Das ist nicht abgehoben.

Vergangene Woche haben wir die Nonne Teresia Benedicta vom Kreuz gefeiert. Im bürgerlichen Leben hieß diese Frau Edith Stein. Sie war Jüdin, hat Philosophie studiert, wurde katholisch, ging ins Kloster. Die Nazis holten sie dort heraus und brachten sie um. Weil sie Jüdin war. Vorgestern haben wir Maximilian Kolbe gefeiert: einen polnischen Priester, der im KZ ermordet wurde. Sie wollten einen jungen Familienvater töten, aber der Priester sagte: „Nehmt mich, nicht ihn.“ Dann ist da noch der österreichische Bauer Franz Jägerstätter, der der Kriegsdienst für Hitler verweigerte und deshalb 1943 hingerichtet wurde. Menschen, bei denen es um Leib und Seele ging. Die Kirche vergisst das nicht. Sie sagt nicht: „Einmal muss es genug sein mit dem Erinnern.“ Sie feiert Jahr für Jahr diese Frauen und Männer (die man nicht feiern kann, ohne an die Juden und Zigeuner, Homosexuellen, Kommunisten und Monarchisten zu denken, die ebenfalls von den Nazis ermordet wurden).

Unsere Kirche ist eine Gemeinschaft über alle Zeiten weg. Die Kirche ist ein Kollektiv mit kollektiver Schuld und kollektivem Ruhm. Die Sünden der Katholiken in Südamerika gehen uns heute an; die Herrlichkeit der Heiligen des Mittelalters gehen uns heute an. Die Kirche weiß, dass ein Deutscher, der Beethoven und Goethe haben will, auch die Nazis hat; wie sie weiß, dass der Stephansdom nicht dem Kardinal gehört, sondern dem Kollektiv der Menschheit. Die Kirche weiß, dass wir hier mehr sind als eine Ansammlung von Individuen.

Und deswegen denkt sie nach über die Geschichte, über den Einzelnen und das Volk, über Seele und Leib.

Die Kirche, das sind alle Gläubigen aller Zeiten. Die beten und Gutes tun. Und immer wieder dasitzen, die Bibel vor sich, Seite um Seite, Jahrhundert um Jahrhundert. Sie bedenken die Worte Jesu. Sie beten, sie feiern, sie sehen die Welt, wie sie ist. So fügt sich ein mächtiges Wissen. Zuerst nur eine Ahnung, dann Fragen, Debatten, auch Streit und Irrtum; immer klarer werden die Gedanken. Und dann, eines Tages setzt sich der Stellvertreter Christi auf Erden, der Papst auf den Stuhl des Apostels Petrus und spricht. Er verkündet das Dogma. Der Papst erfindet nichts, er ist weder Gelehrter noch Politiker. Er ist Prophet. Er fasst endlich in Worte, was alle Christen überall und immer geglaubt haben, ahnungsweise oder klar: das Dogma, unfehlbar vor den Menschen und vor Gott. Am 1. November 1950 (merken Sie auf das Jahr!) verkündete Papst Pius XII. das Dogma: Maria wurde mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Er verkündet es der Menschheit, die eben noch die Leichenberge in den KZs gesehen hatte, Gebirge weggeworfener Körper, darunter auch die Körper der Heiligen.

Das Dogma ist das große Gegenwort zur Naziwelt. Und weil Leib und Seele bis heute verachtet werden in dieser Welt und verdorben, sagt die Kirche immer und immer: Maria wurde mit Leib und Seele aufgenommen in den Himmel.

„Einmal muss doch genug sein mit den Juden und alldem!“ Wenn so gesagt wird beim Achterl und Schnitzerl (nachdem man eben noch die tiefen Gefühle beschwärmt hat, die neulich eine Arie in der Oper geweckt hat): Was kann widerlicher sein als die Herzenskälte der Bürgersleute am gut gedeckten Tisch? Nicht die Täter beenden das Gedenken, sondern die Opfer. Nicht die Deutschen, nicht die Österreicher, sondern die jüdischen Kinder, die im KZ umgebracht wurden. Erst wenn sie rufen: Es ist gesühnt! erst dann hört die Kirche auf zu reden: am Jüngsten Tag, wenn die große Läuterung abgeschlossen ist. Und alle in den Himmel aufgenommen werden mit Leib und Seele.

Damit das sein kann, lehrt die Kirche die Menschen: Achtet euren Körper, hütet eure Seele. Damit ihr einmal sein werdet, wie jetzt die Blumen des Festtages sind: wunderschön und noch schöner: mit Maria verklärte Schöpfung.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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