Lange Nacht der Kirchen, 24. Mai 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Wollen wir Freunde werden? Unterstehen Sie sich! In der Kirche von heute gibt es nur Freunde. Alle mögen sich. Alle lächeln. Der Pfarrer duzt die Gläubigen, und sie duzen ihn. Konflikte? Darf es gar nicht geben, weil Jesus war ur-nett: Nimmt jeden, wie er ist. Jesus liebt alle Menschen, bedingungslos. Es ist gemütlich in dieser Kirche. Gemütlich wie auf einem Sofa in Ibiza. Christen sitzen aufrecht. – Wer würde gemütlich liegen bleiben, wenn Jesu sagt: „Ihr seid meine Freude, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“? Das ist toll, das ist total neu, das ist die Wahrheit – und einschüchternd. Wollen Sie Freunde dieses Mannes sein? Freundinnen und Freunde Jesu? Dieser Mann gebietet („Das ist mein Gebot: Liebt einander!“). Er setzt den Maßstab („so, wie ich euch geliebt habe“). Er wählt aus: „Nicht ihr habt mich erwählt, ich euch.“ Es gelten seine Bedingungen. Seine Freundschaft ist nicht „einfach so“; sie ist an einen Auftrag geknüpft. – Wer traut sich? Das gefällt mir an der Kirche, die um Christus steht: Man muss sich was trauen. Der Souveräne Malteser-Ritter-Orden, der Hospitaldienst mit den vielen jungen Leuten: Sie trauen sich etwas. Seit 900 Jahren. Freunde: Das ist neu. Bis dahin hatten alle gehört: Diener, Knechte, Kinder, Herde, Schafe, Volk. Aber nie Freunde. Und nun steht es im Raum, ein für alle Mal. Gott und Mensch: Freunde. – Man wird das bezweifeln, man wird kaum wagen, es zu glauben, die Erfahrung wird widersprechen, aber es ist gesagt: „Freunde.“ Wenn mir einer sagt: Wollen wir Freunde werden? frage ich ihn: Was meinst du damit? Was genau bedeutet Freundschaft für dich? Liken und so? Facebook? Parteifreundschaft, Heurigen-Freundschaft, Mädels-Freundschaft? Es gibt sehr verschiedene Modelle von Freundschaft. In der Freundschaft des Evangeliums geht es um Transparenz und Vertrauen. „Der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Ich habe euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles gesagt.“ In einer solchen Freundschaft zählt der Austausch, das Aussprechen dessen, was ist. Freimut, Ernst und Sorgfalt im Reden. Und das Vertrauen. Dieses Vertrauen, das gerade im Internet und von den Populisten zerstört wird. Und in der Kirche vom Missbrauch. Kirche, Staat, Politik und Demokratie sind aber auf einen Vertrauensvorschuss angewiesen. Freundschaft ist immer politisch. Weil Freunde eine Gemeinschaft sind. In der Freundschaft des Evangeliums geht es um Liebe. Aber um welche Art von Liebe? Um Liebe als Auftrag: „Macht euch auf und bringt Frucht!“ Liebe, die etwas will, die fordert. Maßlose Liebe: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Die Liebe hat von Natur aus kein Maß. Es ist nie genug Liebe. Wir sind die Überforderten. Gut! In der Freundschaft, von der Jesus spricht, geht es nicht um Ekstase, sondern um Ordnung. Es sind nicht alle gleich. Jesus ist der Herr. Ein König. Und er gibt jeder getauften Frau, jedem getauften Mann Anteil an seinem Königtum. Das geschieht in der Taufe: Wir werden Herren. Was ist ein Herr? Autorität, Verantwortung, Vorbild, Hingabe, auch Gehorsam. Jesus ist ein Herr, der gehorcht: „alles, was ich von meinem Vater gehört habe…“ Ein Herr, der Grenzen hat – den Willen des Vaters – und Grenzen zieht. Lesen Sie dieses Evangelium und Sie werden merken: Jesus erlaubt nicht jene Nähe, die Gefahr liefe, ihn zu verkennen. Wir haben keinen Zugriff auf Christus. Er ist nicht unser Werk und nicht unser Besitz. Freundschaft bedeutet auch, die Wahrheit sagen. Jesus sagt die Wahrheit. Doch in der Kirche wird geplaudert. Es wird geredet hinter dem Rücken, über Menschen, nicht mit ihnen. Diese Kirche fragt nicht und hört nicht; in ihr gibt es keine echte Freundschaft. Die Orden gibt es in der Kirche, damit es anders ist. Freundschaft bedeutet, das Gute wollen für den Freund. Was ist das Gute? Diese Frage steht hinter der Auseinandersetzung, von der die Apostelgeschichte erzählt. Was ist das Gute für meinen Freund? M. a. W. was ist das Ziel? Was ist das Beste? Kann das Ziel Jesu etwas anderes sein als das Beste? Das Beste aber ist Gott. Was also ist das Ziel Jesu? Der Vater. Jesus und die ganze Menschheit, jeder Mensch findet zum Vater, in das Reich Gottes: Das ist das Gute, das Ziel. – Wann haben Sie zum letzten Mal einen Christen getroffen, der Sie in das Reich Gottes führen will? Der das Gute für Sie will, nicht bloß das Angenehme und Nützliche? Der nicht Sie will, für sich, sondern etwas für Sie? Das ist die Herausforderung der Freundschaft: dass ich nicht den anderen will, sondern etwas für ihn. Jede Freundschaft ist Entsagung. Keuschheit. Wie schwer das ist! Freundschaft bedeutet Läuterung. Das Gute wollen setzt voraus, dass man das Gute kennt. Das aber bedeutet lebenslanges Fragen, Suchen, Revidieren, Hören, Wagen, immer den einen Schritt voraus, den man alleine gehen muss, vor dem Freund her. Das ist so, weil Christus nicht in einem Mal erkannt werden kann. Er ist so viel! Bruder, aber auch Herr, Freund, Kind, Mann, im Leid und verklärt, streng und mild, unerbittlich und barmherzig. Und das alles sind immer nur Prädikate, das ist noch immer nicht er selbst. Er selbst ist mehr. Der Freund bietet nicht diesen Vorteil und jenen Nachteil, er ist nicht dieses und nicht jenes. Der Freund ist. Der Freund ist und ich bin. Das ist die Grundlage. „Ihr seid meine Freunde…“ Damit geht Jesus hinter alle Bedürfnisse, Erwartungen und Eigenschaften zurück, bis ganz an den Anfang, bis zum Ersten und Tiefsten. Gott ist. Der Mensch ist. Und das ist das Entzücken Gottes. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.