31. Sonntag im Jahreskreis (B), 4. November 2018
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Du sollst dein Kind lieben von ganzem Herzen und mit deiner ganzen Kraft.“ Jede Mutter würde das unterschreiben. Und fast jeder Vater. „Du sollst deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, mit all deinen Gedanken.“ Hier ist es anders. Okay, kaum jemand würde sagen: „Das ist Quatsch!“ Aber fast alle sagen: „Schöner Gedanke, – aber doch nicht wirklich ernst gemeint, oder?“ Gott zu lieben mit aller Kraft: Fast alle Christen distanzieren sich von diesem Gedanken. Ist das nicht seltsam? Absolute Elternliebe: okay. Absolute Gottesliebe: unrealistisch. Wieso gibt es diesen Unterschied? Nur weil wir die Kinder sehen, Gott aber nicht? Eigentlich ist es doch überall so: Wenn es um Liebe geht, hört der Spaß auf. Oder kennen Sie Verliebte, die sich über ihre große Liebe lustig machen? Es leiden können, wenn andere das tun? Kennen Sie ein Hochzeitspaar, das sagt: Den anderen mit ganzem Herzen und ganzer Kraft lieben, das ist nun wirklich zu viel? Kennen Sie Eltern, die sagen: Also, ich liebe meine Firma mehr als meine Kinder, und das ist auch gut so? Kennen Sie solche Eltern? Alle sind überzeugt: Liebe muss man ernst nehmen. Nur die Gottesliebe nicht. Nächster Punkt: Wer die Liebe wirklich ernst nimmt, scheitert. Eltern scheitern in der Liebe, Eheleute scheitern. Liebe öffnet immer einen Abgrund. Wir wissen, wie Liebe sein soll und erfahren, wie sie wirklich ist. Die Liebe lebt von großen Hoffnungen und stößt sich wund an der Wirklichkeit. Was ist die Lösung? Resignation? Plattheit? Zynismus? Ich behaupte: Die Erfahrung zu scheitern ist kein Unglück, ganz im Gegenteil. Sie ist lebenswichtig. Richtig bewältigt, führt das Scheitern zu Bewegung. Zu Fortschritt. Zur Heiligkeit. Die Heiligen, das sind Gescheiterte. Sie haben gelernt: Streng dich an, auch im Glauben! Ich sage Ihnen: Vergessen Sie das! Scheitern Sie und rufen Sie nach Hilfe. Wenden Sie sich Gott zu. Denn das ist es doch, was Gott will. Scheitern, aber kein dummes Scheitern. Deswegen ist es wichtig, etwas zu kapieren. Was die Liebe betrifft, vor allem die Gottesliebe: Es geht in dem, was Jesus sagt (und er beruft sich auf den jüdischen Glauben, auf das, was wir das Alte Testament nennen), es geht in dem, was Jesus über die Liebe sagt, nicht um ein Gefühl. Es geht um Prioritäten. Christus sagt: Gott soll Deine wahre Priorität sein. Gott und der Nächste. Damit das funktionieren kann, müssen wir grundsätzlich die gleiche Sicht auf das Leben haben wie Jesus. Oder die Juden. Oder die Gläubigen überhaupt. Worin besteht diese besondere Sicht auf das Leben? In der Übereinkunft, dass es Dinge gibt, die wir tun sollen. „Du sollst!“ Es ist nicht alles beliebig; es gibt Gehorsam und Pflicht. Und wir stöhnen nicht darüber, sondern finden es gut. Die Sicht Jesu auf das Leben bedeutet auch: Es gibt einen Herrn. Wir Menschen sind in vielem selbst Herren. Aber nicht in allem. Gott ist der Herr. Und ein Drittes: Liebe kann verlangt werden. Kinder, Partner, Freunde, das Vaterland, die Kirche haben das Recht, unsere Liebe zu verlangen. Liebe ist eine Sache von Wollen und Entscheiden. Liebe hat nur am Rand mit Gefühl zu tun, und das Ende des Gefühls ist nicht das Ende der Liebe (wie kann ein erwachsener Mensch alles abhängig machen von „Schmetterlingen im Bauch“?). So also ist die Liebe, und wer liebt, wird scheitern. Egoismus, Unkenntnis, Bosheit, Müdigkeit, Mode… alles tut sich zusammen. Wir können es nicht. Was wir können: weglaufen, Jesus hören und weggehen. Wir können aber auch bleiben. Aushalten. „Du sollst deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.“ Sie sollen sich anstrengen und scheitern und Hilfe brauchen. So ist das mit der Liebe. Und so ist das mit dem Glauben. Liebe und Glauben gehen, heißt es da, das Herz an, die Seele, die Kraft: den ganzen Menschen. Und zwar sein Inneres. Gott wirkt in Ihrem Inneren. Vielleicht müssen Sie das wirklich noch lernen. „Du sollst deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.“ Das hört sich nach einem riesigen Anspruch an, nach totaler Überforderung. Aber Jesus konnte so lieben. Und hatte doch nichts Verkrampfte, nichts Enges, gar nichts Totalitäres. Woher nahm er die Kraft zu solcher Liebe? Aus seinem Inneren. Aus seinem Umgang mit Gott. Kann es sein, dass Jesus uns überfordert, damit wir scheitern und so endlich lernen, uns allein auf Gott zu verlassen? Glauben, das heißt einsehen: Ich schaffe es nicht einmal, meine Kinder immer zu lieben. Ich merke, wie mir die Liebe zu meiner Frau aus den Händen gleitet, wenn ich mich nicht anstrenge. Ich gebe Gott nicht viel, beinahe nichts. Ich schaffe es nicht friedfertig zu sein, wenn man mich angreift. Ich kann einfach nicht barmherzig sein mit meinen Feinden. Ich bin elend und brauche Hilfe. Gott ist da. Kraft. FÜRBITTEN Liebe macht verwundbar. – Schütze die Liebenden. Liebe ist eine Aufgabe. – Erhalte uns froh in der Pflicht zu lieben. Den Nächsten zu lieben, ist oft schwer. – Mach es uns ein wenig leichter: Schenke uns Deinen Geist. Christus, du bist der einzige wahre Priester. – Schenke den Frauen und Männern deiner Kirche priesterlichen Geist. Was wenn niemand mehr für uns eintritt… – Dann tritt du für uns ein! Du verheißt das Land, wo Milch und Honig strömen. Bekehre die Herzen der Völker zum Frieden. Wir beten besonders für Pakistan. Wir beten für unsere Kranken. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.