Fest des hl. Gregor des Großen, 3. September 2018
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Die Sprechende. Das ist die Kirche. Also werden auch Sie sprechen. Und singen. Wenn die Kirche die Sprechende ist und wenn Sie durch Ihre Taufe zur Kirche gehören, dann müssen auch Sie sprechen. Wir feiern heute Gregor den Großen. Papst und Kirchenlehrer. Also ein zweifach Sprechender: mit der Autorität des Amtes und der Macht der Einsicht. Beide, Lehramt wie Theologie, gehen aus der Taufe hervor. Der Papst, die Lehrerin oder der Lehrer der Kirche existieren nicht losgelöst von den anderen Getauften. Deswegen gehört etwas von ihrem Tun und Amt allen Getauften. Sie werden nicht definieren, Sie werden vielleicht nicht erklären, – aber Sie werden ganz sicher auch nicht verschweigen. Sie sprechen von Gott, weil Sie getauft sind. Was tun Sie anderes, wenn Sie Ihr Kind das Kreuzzeichen lehren? Was tun Sie anderes, wenn Sie einen Kranken trösten? Jede Geste kann von Gott sprechen. Aber wie spricht die Kirche? Auf welche Art? Die Kirche definiert, sie erklärt, sie verwirft und tröstet, sie flüstert und sie ruft laut. Sie verkündet. Noch ihr Schweigen spricht. Nie widerruft sie, was sie einmal gelehrt hat. „Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst“, sagt Paulus. Er spricht über die Rede der Kirche. „Wir verkündigen nicht uns, sondern Jesus Christus.“ Hier rühren Sie an die Ur-Spannung des Christen: Ich und nicht ich. Handeln, wie wenn es Nicht-Handeln wäre. Lieben und gleichzeitig Zurücktreten. Unser Lebensraum ist das Unmögliche. „Wir lehren offen die Wahrheit“, sagt Paulus. Doch die Wahrheit ist nicht zugänglich. Nicht im Ganzen, nie. Nicht einmal im Himmel werden wir Gott, die Wahrheit ganz erkennen. Nur Gott erkennt Gott. Unser Verstand, nicht einmal der von der Gnade erleuchtete, kann Gott nicht fassen. Wir fassen die Wahrheit nicht – und doch muss sie der Pfeiler sein, auf dem alle Rede ruht, jedes Wort, das wir sagen. Und dabei ist jedes Wort immer nur ein Versuch. Sie sagen einem: „Ich liebe dich“ und wissen, dass das Wort der Sache nicht nachkommt, nie. Auch Worte sind unmöglich. Unmöglichkeit also und Zurücknahme. „Wir verkündigen nicht uns selbst.“ Das bedeutet nichts anderes als: Ich verkündige, ich rede – und im gleichen Moment nehme ich mich zurück. Ich feiere die Messe – aber es handelt ein anderer: Christus ist der Priester. Ich helfe einem Armen – und es geht um ihn, nicht um mich. Ich bete – aber der Heilige Geist betet in mir. Selbstbehauptung und Gebet, Selbstbehauptung und gute Werke und Gottesdienst: Das geht nicht zusammen. Wie will einer zuhören, der sich nicht zurücknehmen kann? Der König verschwindet im Königtum, der Schauspieler in der Rolle, der Lehrer in der Wahrheit – und doch sind es immer sie, die handeln. Die Messe gibt es nicht, wenn sich nicht einer hinstellt und handelt. Und doch muss er sich auflösen. Zurücknahme. Selbstauflösung, Keuschheit. „Aus Finsternis soll Licht aufleuchten… in zerbrechlichen Gefäßen.“ Paulus sagt mir, was ich bin: Finsternis. Er sagt Ihnen, was Sie sind: zerbrechliche Gefäße. Da ist also gar nicht viel zurückzunehmen; es ist eigentlich ganz leicht. Ja, wie wird eine Gemeinschaft von Menschen, die sich zurückzunehmen wissen? Leicht. Diskret. Eine leichte Kirche, wie schön wäre das! Dieses Zurücknehmen ist kein feiges Zurückrudern, kein Aufgeben, kein Kokettieren mit der eigenen Misere. Es ist ein Kraftakt. Souveräne Stärke. Stark aber sind wir, darin ist die Lehre der Kirche glasklar, niemals aus uns selbst heraus. Vielleicht ist dies zuzugeben die erste Heldentat: Ja, ich bin dunkel. Ja, ich bin fragil. Sich zurücknehmen wird leichter, wenn ich um die Zeit weiß, zu warten vermag. Wie wenig Zeit ist vergangen seit dem ersten Erscheinen der Kirche! 2000 Jahre im Angesicht der Weltgeschichte. In den Augen Gottes. Die Kirche ist so jung! Wir können warten. Sich zurücknehmen wird leicht, wenn wir um die Ewigkeit wissen. Denken Sie dies: Niemals hat es Sie nicht gegeben. Sie waren immer, in Gott. Genügt doch, oder? Die Kirche spricht. Die Kirche handelt. Aus der Zurücknahme entsteht eine ganz eigene Art des Handelns. Am 3. September 590 wurde er zum Papst gewählt: Gregor I. Aus bester Familie; exzellente Ausbildung; Karriere als Politiker. Dann Mönch. Nun Papst. Der Kaiser ist weit weg, die irrgläubigen Langobarden sind nahe, Rom ist allein: Gregor muss handeln. Er betet; er denkt nach, er schreibt, er feiert die Liturgie. Und macht große europäische Politik: Rom, England, Spanien, Italien. Und organisiert großartig die Fürsorge für die Armen. Gregor ist ein Heiliger und ein Großer der Geschichte. Seine Größe kommt aus dem beständigen Zurücktreten vor der Majestät Gottes. Sich zurücknehmend wird der Christ königlich. Sie verkündigen nicht, um Freunde für sich zu gewinnen. Sie sollen nicht an sich binden, sondern zu Christus führen. Wir sollen die, denen wir verkündigen, frei setzen für Gott. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen uns und Christus. Dieser Unterschied muss vollzogen werden, nüchtern. Licht werden wir erst in dem Maß, wie wir vor Gott zurücktreten. Die Kirche, die das verstanden hat, vermag zu singen vor Gott. Im Himmel wird die Kirche nicht mehr sprechen, sondern singen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.