Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

22. Sonntag im Jahreskreis (B), 2. September 2018 – Die Schönheit der Regel

02/09/2018 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Was ist die Kirche? Irgendwas mit vielen Vorschriften. So wird sie wahrgenommen: ein Sammelsurium alter Vorschriften. Deswegen ist auch der Papst so beliebt: weil er einer zu sein scheint, der von alten Vorschriften nichts hält. Und in der Tat: Er trägt keine roten Pantoffeln mehr!

Vorschriften, alte noch dazu, sind das, was keiner will. Wir wollen: selbst das Leben entwerfen, neu beginnen, frei sein, ausprobieren. Keine Reliquien, sondern Visionen. Allerdings wollen wir auch Heimat, also keine Fremden. Sicherheit. Krieg zur Not „dort hinten in der Türkei“, aber hier Frieden. Das alles zusammen geht natürlich nicht.

Sie müssen Ihre Reaktion auf Vorschriften und Regeln neu denken! Meine erste Reaktion, wenn ein anderer mir Regeln gibt, ist auch gereizt. Aber dann denke ich: Vielleicht hat er Recht? Und ich denke an die Kinder: Sie geben ihrem Spiel ganz von selbst Regeln. Und ich denke an Systeme, in denen die alten Regeln nicht mehr gelten. In denen nur noch eines gilt: Die Gewalt des Stärkeren. Die Mehrheit. Die Straße. Und ich beginne, die Schönheit des Rechts zu entdecken. Wer auf dem Recht besteht nur aus Angst vor dem Chaos oder aus Lust an der Autorität oder weil es eben ohne Recht nicht geht, der treibt in flachem Wasser… Katholiken haben das Zeug, tiefer zu denken und zu fühlen!

„Und noch viele überlieferte Vorschriften halten sie ein“, die Juden im Evangelium. Jesus kritisiert sie – und gibt doch selbst Regeln! Nicht die Regeln stören Jesus, sondern das Selbstgemachte und Selbstgerechte daran, die Geistlosigkeit und die Herzlosigkeit der regelmäßigen Leute. Er sei nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen, sagt er einmal. Jesus will das Recht mit Geist und Herz erfüllen. Er liebt die Gebote, denn er liebt den Willen Gottes.

Im Alten Testament, der jüdischen Bibel stehen viele Vorschriften und Gesetze. Die Kirche hat früh erkannt, dass sie sie nicht mehr braucht. Aber die Zehn Gebote sind geblieben. Deswegen steht neben dem heutigen Evangelium die Lesung aus dem Buch Deuteronomium: Mose erinnert die Israeliten an die Zehn Gebote. Der Finger Gottes selbst hat sie in den Stein geschrieben! Auch wenn es sich immer wieder zu kleinlicher Bürokratie, zu Sturheit und Enge verklumpt: Das Recht an sich ist heilig. Das Recht beginnt mit der Erschaffung der Welt. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, heißt es am Anfang der Bibel. Wir leben mit anderen. In Gesellschaft. In verschiedenen Gesellschaften. Im Staat und in der Kirche: zwei Gesellschaften, die eine natürlich, die andere übernatürlich, noch irdisch und schon himmlisch. Wo aber Zusammenleben, da Recht. Weil sonst die Schwachen den Starken ausgeliefert sind. Beziehungen, Heimat, Territorium, Souveränität, Zukunft: alles nicht ohne das Recht. Recht ist mehr als EU und Finanzamt.

Das Recht ist wie die Wahrheit nicht sofort klar; es muss diskutiert werden. Aber wie in der Wahrheit, so gibt es auch im Recht Elemente, die allen einsichtig sind: z. B. dass ein Unterschied ist zwischen böse und gut. Es macht einen Unterschied, ob ich die Tante ermorde oder ihr helfe. Es gibt ein Recht, das überall und immer gilt. Wenn alles veränderbar ist, alles immer zur Diskussion steht, gewinnt nur der Stärkere. „Du sollst den Sabbat heiligen!“ Das ist Recht. Ein Geniestreich! Ein Gesetz, das auf den ersten Blick nur seltsam erscheint, nur für die Juden passend – und dann alle Gesellschaften und alle Zeiten prägt und auf der ganzen Welt die Armen vor der Ausbeutung durch die Reichen schützt. Ein Tag in der Woche gehört nicht dem Kapital. Sondern Gott.

Christus hat das Recht vollkommen gemacht: Das Evangelium ist das vollkommene Gesetz. Das Gesetz der Liebe. Liebe und Recht gehören also zusammen! Die Ordnung in Ihrem Herzen und die äußere Ordnung dieses Landes gehören zusammen.

Jesus war Jude und sagt von sich: „Ich bin der Menschensohn.“ Vor ihm sagten alle: Ich bin Grieche, ich Römer, ich Perser. Jetzt ist dieses das Höchste: der Mensch. – Die Terroristen haben feierlich die Menschen-Rechte verkündet. „Den Menschen habe ich nirgendwo getroffen“, bemerkt dazu spöttisch der Graf de Maistre. Doch! Im Evangelium! Dort treffen Sie den Menschen: Jesus Christus. Der uns sagt: „Geht zu allen Menschen!“  Das Evangelium ist das neue und universale Recht. Das wahre Menschenrecht.

Es gibt nach wie vor unterschiedliche Nationen mit unterschiedlichen Gesetzen. Es gibt Individualität neben Universalität. Christus hat das Alte nicht zerstört. Aber hat eine neue Welt erschaffen, neben der alten. Und die alte Welt wird durch die neue Welt erhöht.

Die Kirche hat das neue Recht verkündet auf der ganzen Erde. Und, ja, sie hat es verwirklicht, trotz ihrer Sünden. Heute ist das Evangelium als Recht verbreiteter denn als Glaube. Auch die, die Christus nicht als Gott anbeten, verehren ihn als den größten Gesetzgeber der Geschichte. Man kann die Gottheit Jesu leugnen – das Evangelium bleibt; die Göttlichkeit der Kirche – das Evangelium bleibt. Nach so vielen Angriffen, Versuchungen, Erfahrungen, Veränderungen: Dieses Buch bleibt. Und damit das Recht.

Warum? Weil das Evangelium keine Erklärung der Rechte ist, sondern der Pflichten. Christus hat uns nicht gesagt: Das sind eure Freiheiten. Er sagte: Das sind eure Pflichten. Zwischen dem Evangelium und seinen Verfolgern steht nicht das Recht, sondern Gewissen und Pflicht. Nicht das Rechthaben, sondern der Einsatz des Lebens. Nicht Buchstaben, sondern das Herz.

FÃœRBITTEN

„Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir.“ Vater, führe uns zurück zu dir.

Vater, ordne unser Herz. Gib uns die Kraft, Verwirrung auszuhalten. Gib uns den Mut, Klarheit zu schaffen. Hilf uns, gerecht zu sein, wenn wir lieben. Hilf uns, liebevoll zu sein, wenn wir gerecht sind. Gib, dass wir nicht aus Angst vor Strafe handeln, sondern aus Liebe.

„Handelt nach dem Wort“, schreibt der Apostel Jakobus. Wir beten um die Liebe aller Katholiken zur Heiligen Schrift.

Das Leben ist nicht gerecht. Hilf uns, das Leben dennoch zu lieben.

Du hast der Schöpfung Gesetze gegeben. Lass uns ihre Schönheit erkennen.

Gerechtigkeit ist: Jedem Menschen geben, was ihm zusteht. Wir beten um gerechte Politiker.

Löse die ungerechten Strukturen dieser Welt.

„Böse Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Betrug, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut, Unvernunft“: Befreie uns, o Herr!

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

Johannesgasse 2 - 1010 Wien - Österreich | T: +43 1 512 72 44 | E: smom@malteser.at

X