Kirchweihfest des Stephansdomes, 23. April 2018
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Nationalheiligtum Österreichs. Wie alle anderen Kirchen ist auch der Stephansdom nur ein Versuch, stammelnd und bröckelnd. Wir werden Gottes nicht habhaft. Nirgendwo. Nicht im Inneren, nicht in Mauern. „Welcher Ort kann mir als Ruhestätte dienen?“ Die Kirchen der Christenheit sind Behältnisse für Ahnungen und Hoffnungen, mehr nicht. Wir gehen durch sie hindurch. Kirchen sind: Eingang und Ausgang. Dazwischen aber geschieht Verwandlung. Unsere Kirchen sind Wandlungsorte. Für viele, auch in der Kirche, ist der Gottesdienst eine Form des Entertainments. Es muss etwas geschehen, etwas Neues. Nur nicht das immer Gleiche! Die Häuser der Kirche füllen sich, wenn ein Event ansteht. Wenn ein Erzbischof zelebriert, sind alle da, in der stillen Messe am Morgen kommen zwei, drei. Für viele ist die Messe eine Stunde Belehrung. Die Leute sollen etwas kapieren und dann, draußen, besser handeln. Die Messe macht bessere Menschen. Eine Moral-Veranstaltung, die Gutmenschen ausbilden soll. Für viele gehört die Messe der Gruppe. Man kennt sich oder lernt sich kennen. Das funktioniert am besten, wenn sich alle einig sind darüber, wie man sich anzieht und wie und worüber man spricht und worüber nicht. Entertainment, Moral, Gruppendynamik: Wirklich? Ist Christus so? Ist die Kirche so? Kirchen sind auch nur Häuser. Sie haben Türen und Fenster. Tore und Licht. Öffnungen. Was einer für banale Notwendigkeit halten kann, ist in Wahrheit ein Zeichen. Denken Sie an die Tore des Domes. Dort beginnt er. Denken Sie an seine hohen Fenster: Durchbrüche, hinaus und herein. Gottesdienst ist zu allererst: Öffnung. Durchbruch, immer und immer wieder. Seit 2000 Jahren bricht die Kirche nach außen. Der Auferstanden tritt durch Mauern und verschlossene Türen. Der Abendmahlssaal öffnet sich: aufgetan von der lichten Gewalt des Heiligen Geistes. Die Feier der Kirche ist Öffnung. Zu uns selbst. Im Schuldbekenntnis am Anfang der Messe öffnen wir uns der Wahrheit über uns selbst. Das Gloria: Öffnung zum Himmel hinauf. Zur Dreifaltigkeit. Öffnung zur Geschichte, in der die Offenbarung Gottes geschieht: in den Lesungen und im Evangelium. Wir öffnen uns für das Wort Gottes. Agnus Dei: Die Liturgie öffnet uns auf die Welt hin, die in Gefahr ist und Frieden sucht. Das Eigentliche aber, das Ziel: Die Öffnung hin zum Vater. Gemeinsam, wir alle, die ganze Kirche öffnet sich auf den Vater hin. Durch Christus, mit ihm, in ihm. Das große Amen am Ende des Hochgebets ist nicht Bestätigung, sondern Aufbruch. Unsere Kirchen sind also Sehnsuchtsorte und ganz bestimmt keine Mehrzweckräume. Unsere Kirchen gehören dem Fest und dem Traum. Dem Glanz, der Form und der Forderung. Auch der Verstörung. Sie sind Passagen. Alles dient dem Durchgang. Auf das Morgenlicht hin. Wer mit Bedacht zur Kirche geht, will nicht ankommen, sondern aufbrechen. Auf den „Weg durch die Zeit“. Die Kirche gehört der Stille. Aber ein Ort der Ruhe ist sie nicht. In ihr beginnt ein Prozess, täglich neu: Fortsetzung. Umsetzung. Deswegen heute das Evangelium von der Versöhnung, die doch der Aufbruch schlechthin ist. Der Gute Hirt, den uns der Sonntag vorstellte, ist nicht der, der lagert, sondern der, der führt. Täglich aufbricht. So ist es richtig, dass der Stephansdom offen steht. Dass an ihm immer weiter gebaut wird. Er ist ein Bild für uns. Zeichen. Nicht Wahrzeichen Wiens, das ist in Wahrheit nicht weiter interessant; es fänden sich schnell andere. Er ist ein Zeichen nach oben, weg von hier. Offene Tore. Geist, der ein und ausgeht. Aufbruch. Der Grundstein aber ist unverrückbar. Christus. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.
Domkirche der Bischöfe und Erzbischöfe von Wien.
Grablege. Kunstwerk. Kirche des Hauses Habsburg.
Wahrzeichen Wiens.
Ein Haus mit Fenstern und Türen. Nicht viel in den Augen des Ewigen.
„Was für ein Haus könnt ihr mir bauen?“