20. Sonntag im Jahreskreis (A) – Jes 56,1.6-7
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Auch die Fremden bringe ich zu meinem heiligen Berg.“ – „Auch die Fremden…“, das genügt, und man wird heute nervös. Was wollen die hier? Was wird aus uns, wenn die alle herkommen? Und schon haben wir überhört, dass da steht „zu meinem heiligen Berg“. Österreich ist nicht der heilige Berg Gottes. Also spricht die Lesung gar nicht von Flüchtlingen, Einwanderern, „Multikulti“ und dergleichen mehr. Sie spricht aber auch nicht davon, dass alles so bleiben soll, wie wir es kennen. Der Text der Lesung stammt wohl aus der Zeit um 530 vor Christus. Ein halbes Jahrtausend vor Christus, – und wir leben zweitausend Jahre nach Christus. Ich sage Ihnen das, damit Ihnen aufgeht: nichts Neues. Immer schon gibt es Fremde und gibt es Einheimische; immer schon ist die Welt in Bewegung; immer schon wechseln sie ihre Rollen: Die fremd waren, werden Einheimische und Einheimische müssen in die Fremde. Die Welt bewegt sich, – und wir möchten ja auch, dass sie sich bewegt, dass sich etwas ändert. Gleichzeitig wünschen wir uns, alles möge so bleiben, wie wir es kennen. Menschen sind widersprüchliche Wesen. Lieber das vertraute Elend als das unbekannte Neue: So funktionieren Ehen, Dörfer und Nationen. Veränderungen sind immer schwierig. Aber darauf nimmt das Leben keine Rücksicht; geschützte Bereiche sind selten. In Wahrheit verändert sich alles, vergeht, entsteht. Es gab immer Fremde in Mailberg – und in Wien sowieso, durch alle Jahrhunderte hin. Und nie waren die Fremden bei den Einheimischen sofort willkommen. Auch die Pfarren leben übrigens mit ihren Fremden. Viele, die getauft sind, bleiben uns fremd… In der Lesung geht es aber nicht um Politik, sondern um Religion; nicht um ein Dorf oder eine Stadt, sondern um die Kirche. Sie ist der „heilige Berg“, das „Bethaus für alle Völker“. Die Juden mussten lernen, dass zum auserwählten Volk Gottes auch die Fremden gehören; wir Katholiken müssen wissen, dass die Kirche immer weltweit ist: „katholisch.“ Warum? Weil Gott der Schöpfer der ganzen Welt ist, aller Menschen, der Männer und der Frauen. Deswegen darf das Gottesvolk im Alten Testament nicht bei sich bleiben, sondern wird auf die ganze Welt ausgerichtet. Gott will das Heil aller Menschen. Deswegen sagt Jesus im Neuen Testament: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern.“ Und immer ist klar, im AT wie NT, dass Gott etwas von uns verlangt. Man hört oft: Jesus war tolerant, – die Kirche ist intolerant; Jesus hatte ein weites Herz – die Kirche ist verbohrt und engstirnig; Jesus war unkompliziert – die Kirche ist dogmatisch. Jesus war frei, hat keinen Menschen verurteilt, niemanden ausgegrenzt und alle in die Arme geschlossen, was auch immer sie taten und glaubten. So denkt man heute. – Das hat viel mit unseren Wünschen zu tun und wenig mit den Evangelien. Jesus waren die Gebote nicht egal. Er hat sie akzeptiert, praktiziert, hoch geschätzt – und sinnvoll ausgelegt, das Eigentliche wiederentdeckt. Er schafft die Gebote Gottes nicht ab, sondern bringt sie neu zum Leuchten. Oder wenn er die Ehebrecherin nicht verurteilt, dann heißt das nicht, dass er den Ehebruch für gut hält oder für eine Lappalie. Er will der Frau eine Chance geben umzukehren und die Männer um sie herum auf ihre Heuchelei aufmerksam machen. Oder wenn er sich den Heiden zuwendet, dann nicht, weil er meint: Jeder soll nach seiner Facon selig werden, sondern weil er sieht, dass Gottes Heil sich an alle wendet, auch an die „Fremden“. Auch sie muss er mit Gott zusammenbringen. In Fragen der Wahrheit ist Jesus nicht lasch oder zweideutig. Sein Maßstab ist das Erste Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott…“ Sein Ziel: Er will die Herzen rein machen – und eben nicht lassen, wie sie sind. Eines aber stimmt: Ein „System“ interessiert ihn nicht. Statt Logik gibt es ihn selbst. Jesus war der eindeutigste Mensch, denn es je gab. Wahrheit hat beim ihm nicht viel mit Argumenten zu tun, wohl aber mit Kraft. Gott argumentiert nicht, sondern zeigt seine Kraft; man glaubt an Jesus, nicht weil er brillante Argumente hat, sondern weil er Kraft hat. Wirkung. Deswegen eignet man sich die Wahrheit der Bibel an, indem man Jesus nachfolgt. Nicht Erkenntnis oder Moral, sondern Macht, Dynamik. Das Christentum ist keine Buchwahrheit; wir beten nicht die Schrift an, sondern den dreieinigen Gott; die Bibel ist in der Kirche geworden und nicht vom Himmel gefallen (Koran). Gott fordert also etwas von seinen Menschen. Das ist einleuchtend. Eltern fordern etwas von ihren Kindern, der Meister vom Lehrling, der Trainer vom Sportler. Man kann, man muss Menschen formen und sie dennoch respektieren, ihre Überzeugungen, ihre Eigenarten. Aber nicht alles ist gleich gut und gleich wahr und nicht alles kann bleiben, wie es ist. Das Ziel ist vorgegeben: Die Fremden und wir, alle also müssen sich „dem Herrn anschließen“. Alle müssen wie es in der Lesung heißt Gott dienen, ihn lieben, den Sabbat halten, treu sein („festhalten“). Das bedeutet für uns hier: Mut und Respekt. Ein Anliegen haben und Beispiel geben. Etwas fordern und offen sein. Ausweitung der Kirche, – weil alle zur Kirche gehören. Also weite Grenzen. Nein, gar keine Grenzen: „Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden.“ Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.