5. Fastensonntag, 2. April 2017
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Irgendwie kann ich verstehen, dass so wenige in die Kirche kommen. Wer in die Kirche geht, braucht Eier, wer zum Stammtisch geht, braucht keine. Am Stammtisch bestimmen sie die Themen selbst, in der Kirche nicht. In der Kirche muss man sich stellen. Sie hier, Sie sind die Tapferen. Die, die nicht kommen, sind Schisser. In den nächsten zwei Wochen wird uns allen hier ein Thema gestellt, das jeder gerne vermeiden würde. Jeder. Aber manche stellen sich ihm, viele andere nicht. Vom Evangelium heute bis zum Ostermorgen geht es um den Tod: das Thema, das jeden schreckt. Dann geht es um die Auferstehung: die Wahrheit, die so schwer zu glauben ist. Doch das sind nur Gedanken von außen, Spekulationen. Wer auf die Menschen schaut, von denen dieses Evangelium erzählt, kommt dem Sinn näher. Da ist Maria. Eine Frau, die ganz ihrer Trauer lebt. „Maria aber blieb im Haus“, wie es sich damals für eine trauernde Frau gehörte. Sie ergibt sich dem Schmerz. Maria beklagt den Verlust ihres Bruders, wie sie später, am Ostermorgen, den Verlust des Leichnams Jesu beklagen wird. Diese Frau glaubt nicht – und wird doch der erste Mensch sein, der die Auferstehung Jesu verkündet. Jesus war „im Innersten erregt und erschüttert“: Zweimal sagt das dieses Evangelium. Und auch das noch: „Da weinte Jesus.“ Nirgendwo sonst in der Bibel werden die Gefühle Jesu so klar angesprochen. Ein Mensch wie wir. Und doch mehr. Viel mehr. „Herr, er riecht schon!“ Martha widersetzt sich Jesus. Der Glaube, den sie eben noch so ruhig bekannt hat, schwankt schon wieder. Unser Glaube ist nie aus einem Guss, nie sicher. Martha will nicht, dass das Grab aufgeht. Sie glaubt an die Auferstehung irgendwann, aber nicht jetzt. Und damit lässt sie Jesus allein. Er ist umgeben von all diesen Menschen, die nicht glauben und steht ganz allein vor dem Tod. Und so wird es bleiben. Seine Einsamkeit wächst ins Unermessliche. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Wenn Sie einsam sind: Denken Sie an Ihn. „Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen!“ Gott: das letzte Ziel all dessen, was Jesus tut. Gott, der Ursprung allen Lebens. Lazarus lebt wieder. Er tritt heraus aus dem Grab: ein Bild der neuen Schöpfung, die stärker ist als die Verwesung. Die Sünde bewirkt nur eines: Verwesung. Zerfall. Gott bewirkt ein anderes: Leben in Herrlichkeit. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.
Die Auferweckung des Lazarus: schon das eine „unmögliche“ Geschichte. Sie wurde von Anfang als Zumutung aufgefasst, und der Evangelist tut nichts, um das abzumildern. Er erzählt von Jesus, der sagt, er selbst sei die Auferstehung und das Leben. Schon das ein Ärgernis. Denn es bedeutet: Jesus beansprucht, Gott zu sein. Denn Gott ist das Leben. Gott allein.
Dann das seltsame Verhalten Jesu. Er hilft nicht, als er so dringend gebraucht wird. Schließlich hilft er doch, als es in den Augen aller vernünftigen Menschen zu spät ist. Dann ist da auch noch ein Verdacht: Hat Jesus seinen Freund Lazarus sterben lassen, um dann an ihm ein Zeichen zu setzen? Musste ein Mensch sterben, damit das Wunder der Auferweckung geschehen konnte?
In diesem Evangelium bleibt Maria beim Tod sitzen. Auch Martha trauert, aber sie wendet sich dem Leben zu: Jesus. Sie geht auf die Zukunft zu und auf die Gemeinschaft mit Gott. Martha hat einen festen Glauben: „Er wird auferstehen am Letzten Tag.“ Aber in wenigen Augenblicken wird dieser Glaube sich total verändern. Jesus fordert sie auf, auf eine neue Weise zu glauben. Es geht nicht mehr um den Jüngsten Tag. Es geht um jetzt. Um Jesus selbst. Darum, zu erkennen, dass, wer an ihn glaubt, jetzt schon für ewig „lebendig“ wird (– Sie glauben? Dann ist der Keim des ewigen Lebens schon in Ihnen! Entfalten Sie ihn!). Martha war einfach eine Freundin Jesu. Sie standen sich nahe. Und sie war gläubige Jüdin. Am Ende der Geschichte ist sie Christin. Sie erkennt, wer Jesus wirklich ist: weit mehr als ein Prophet, weit mehr als ein guter Freund. Der Sohn Gottes. Wahrer Gott und wahrer Mensch.
Jesus steht hier vor dem Tod. Vor dem Tod des Freundes, vor der Trauer seiner Freundinnen. Und vor seinem eigenen Tod, der schon kommt. Er sieht den Tod mit dem Blick Gottes. Gottes, der diese ganze Welt erschaffen hat, nicht damit sie sterbe, sondern damit sie lebe. Er sieht, was der Tod unter uns Menschen anrichtet – und woher er letztlich kommt: aus der Sünde. Er sieht alles. Was ihn erschüttert, ist nicht der Schmerz der Freunde, auch nicht ihr Unglaube. Es ist die Macht, die das Werk Gottes zerstört. Am Ölberg wird es wieder so sein: die Erschütterung und Angst dessen, der etwas tragen muss, das über alles hinausgeht, was Menschen tragen können. Nicht diesen oder jenen Tod: allen Tod trägt Jesus. Alle Sünde.