Christtag 2016 – Annäherung –
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
„Er hat bei uns gewohnt.“ Wer? Jesus aus Nazareth. Der Sohn Gottes. „Das Wort“ hat unter uns gewohnt. Da war einer, – und wir haben es gar nicht gemerkt. Wir haben ihn gar nicht gesehen. Wir haben ihn nicht erkannt. Die ganze Zeit nicht.
Weihnachten erinnert uns an eine Chance, die wir verpasst haben. „Aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Können Sie sich vorstellen, wie das ist, nicht aufgenommen zu werden, dort wo man wohnt?
Wir verpassen so viele Chancen. Aber wir können umkehren. Wir können es anders machen. Weihnachten gibt es, damit etwas anders wird. Alles müsste anfangen mit einer Frage. Sie lautet: „Wer bist du?“ – Einem Menschen begegnen und ihn nicht fragen „was bist du? wie viel hast du?“, sondern: „Wer bist du?“ Nicht sagen „die Mailberger“, „die Wiener, „die Flüchtlinge“, „die Amerikaner“, sondern „der Mensch“. – Wie schwer allein das sein kann! Aber es muss sein, weil sonst das Beste unserer Zivilisation vor die Hunde geht.
Wer bist du? Wer ist Jesus? Er ist etwas Besonderes; das spürt jeder, der ihn hört. Er ist einer, der sehr nahe ist, aber kein Kumpan. Ein wahrer Freund, aber von weither.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie wenig wir von Jesus wissen? Die, die mit ihm zusammen sind, die Jünger, die Frauen, die spüren: In diesem Mann ist eine ungeheure Fülle. Und doch wissen sie wenig von ihm. Was von Jesus überliefert wird, ist nicht viel. Wenig von seiner Kindheit, nichts von seiner Jugend, nichts von seinem Leben in Nazareth. Sein öffentliches Wirken dauert nur drei Jahre; manche sagen sogar nur ein Jahr. „Aus schweigender Unbekanntheit kommt dieses Leben, leuchtet kurz und gewaltig, und geht zurück in die Unbekanntheit des ‚Himmels’“ (Guardini).
Der, dessen Geburt wir heute feiern, kommt, spricht, geht hindurch und verschwindet wieder. Er sagt einmal: „Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen. Nun verlasse ich die Welt und gehe zum Vater“ (Joh 16,28).
Jesus hat kein eigenes Haus, keine Heimat. Er zieht herum. Die „Gesellschaft“ hat ihn nicht aufgenommen. Den Reichen und Wichtigen bleibt er fremd. Die Zweifelhaften können mehr mit ihm anfangen, – wie jene Frau, die ihm die Füße salbt im Haus des einflussreichen Pharisäers. Sie ist aus der gleichen Gesellschaft ausgeschlossen. Sie kommt auch vom Rand.
Auch bei seinen Jüngern hat er keine Heimat. Wie oft in den Evangelien gesagt wird, dass sie ihn nicht verstehen! Wie eine Mauer stand um ihn die „Finsternis“, die, die ihn nicht begreifen. Jesus war voll von Leben und bereit, dieses göttliche Leben in das Herz jedes Menschen zu gießen. Aber die meisten Herzen waren verschlossen (Mailberg!).
Die Apostel… der eine hat ihn verraten, der andere ihn unter Schwüren verleugnet; alle andere sind geflohen, als es darauf ankam.
Wir sind dort zuhause, wo man uns versteht, wo man zu uns hält. Das hatte Jesus nicht. Jesus betet so oft allein. In der Einsamkeit. „Der Geist warf ihn hinaus in die Wüste“, heißt es einmal. Dieser Mann ist voller Kraft, und um ihn ist Stille. Schweigen vor dem Geheimnis. Hinter jedem Augenblick, jedem Wort steht das Unendliche. Wer bist du?
Wenn wir die Worte des Evangeliums und die Vorgänge wissen, wissen wir noch nicht viel. Wenn wir Jesus sehen als feierliche, etwas unwirkliche, etwas unbestimmte Gestalt mit langem Haar und wallendem Gewand, wissen wir nicht viel. Das alles bleiben Formeln. Wir müssen ihm nachgehen. Versuchen, auf sein Eigentliches zu schauen, auf das, was er ist. Wer bist du? Annäherung. Respekt. Mitgefühl.
In Ihrer Kirche hören Sie keine frommen Betrachtungen. Was Sie hier hören, geht direkt ins Leben. Es wird praktisch und politisch. Durch die Annäherung an Jesus Christus lernen wir, wie wir uns den Menschen nähern. Die Art Jesu wird unsere Art mit einander prägen. Dazu begegnen wir ja Jesus: damit wir geprägt werden von ihm (von was werde ich geprägt?).
Jesus sagt: „Liebe deine Feinde!“ Das lässt sich übersetzen: erkenne die, die dir fremd sind. Nimm sie ernst. Behandle sie angemessen. Respektiere sie. Es gibt so viele Verachtete! Jesus gehört zu ihnen.
Menschen respektieren, heißt, ihnen ihren Stolz lassen. Menschen respektieren, heißt, sie ernst nehmen statt ihnen zu sagen: Ihr zählt nicht, ihr seid zu rechtschaffen, zu bieder und nicht cool. Ihr seid ein Auslaufmodell mit euren alten Ansichten von Ehe und Familie. Menschen respektieren, heißt, das Sinnvolle in ihrem Tun anerkennen. Ihnen danken, für das, was sie tun und erhalten (Pfarre). Menschen respektieren, beginnt damit, dieses Kind zu fragen: Wer bist du?
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