Basilius der Große und Gregor von Nazianz, 2. Jänner 2017
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
Das Jahr fließt. Irgendwann sind wir wieder bei dem Tag, an dem alle sagen: „Wie die Zeit vergeht!“ Das Jahr fließt, – oder es wird gestaltet. Wer gestalten will, muss sich klar werden über die Grundlagen und über die Ziele, über die Möglichkeiten und die Bedingungen. Wer gestalten will, im Kleinen oder im Großen, muss wach sein.
Alles das gibt uns das heutige Fest an die Hand. Noch in der Weihnachtszeit feiert die Kirche zwei Heilige, Basilius den Großen und Gregor von Nazianz. Aus der „Lehre von Gott“, der Theologie sind ihre Schriften nicht wegzudenken. Auch die Mönche, die Männer und Frauen also, die losziehen, um sich Gott zu stellen, allein, auch sie werden bis heute geformt durch die Lehre dieser Heiligen aus dem vierten Jahrhundert. Sorge für die Kirche, Sorge um die Kirche, vor allem aber Lehre, Wahrheit, Suche nach Gott: Das war das Leben dieser beiden Männer. Was wir heute von ihnen lernen können, ist ganz sicher dies: uns zu stellen. Sich stellen meint das Gegenteil von Konsumieren. Sich der Liturgie stellen, sich dem Wort Gottes stellen, ihm Kraft einräumen, eine echte Begegnung zulassen, – oder sie sogar suchen!
An heutigen Festtag würde das bedeuten, diese Worte zu hören: „damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen.“ Dies zu hören und gerade nicht zu tun, was die meisten eben tun: nämlich ausweichen, sagen „nicht für mich“, „zu hoch“, „versteht kein Mensch“… Dies alles nicht zu tun, sondern sich dem Wort zu stellen, das wäre der Anfang der Gestaltung. Was geschähe in der Kirche, in einer Pfarre, in einer Ordensgemeinschaft, in einem einzelnen Leben, wenn alle sagten: Das also ist das Ziel! Das ist der Auftrag! Das ist möglich: dass wir Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen.
Doch wir führen kein Stück auf. Die Darstellung Christi ist nicht unsere Rolle. Wir sollen Christus werden. Es liegt auf der Hand, dass das ohne Christus nicht geht. Nicht ohne Kenntnis von ihm, vor allem nicht ohne Begegnung mit ihm. Es ist offenkundig, dass das nicht die Sache eines einzelnen sein kann. Keiner kann allein Christus verkörpern. Wir zusammen, die Gemeinschaft von Frauen und Männern, die die Kirche ist, sie stellt Christus dar. Nicht das Ordinariat, auch nicht die Bischofssynode, der Vatikan oder die Ordensregierung: Kirche ist mehr als das. Alle Menschen aller Zeiten, alle, die Gott und den Nächsten wirklich geliebt haben, lieben oder lieben werden sind die Kirche. Der Leib Christi.
Wie baut sich die Kirche? Wie geschieht der Aufbau des Leibes Christi? Durch den Glauben. Durch die Einheit im Glauben. Durch die Erkenntnis des Sohnes Gottes. Gleich ob Christus erkannt wird in einem wahren Gedanken, in einem Bettler, einem mühsamen Partner, einem Kind, in einer Melodie oder in einem Bild: Immer ist es die Erkenntnis des Sohnes Gottes, die die Kirche aufbaut.
Viele Möglichkeiten also, viele Wege. Einen Moment im Universum aber gibt es, wo der Leib Christi immer aufgebaut wird, garantiert, ohne Zweifel, einfach, überall: Die Eucharistie, auf die das bevorstehende Hochfest der Epiphanie, „Erscheinung des Herrn“ besonders hinweist.
Der Leib Christi baut den Leib Christi auf, das Sakrament die Kirche. Wer die Kommunion empfängt, empfängt Christus in seinem Herzen, wird durch Christus mit den anderen verbunden; wer sich Christus stellt in der Kommunion und ihn empfängt, wird Kirche.
Kirche ist nicht das von uns Herzustellende, sondern das durch uns zu Realisierende. Fleisch werden lassen, was geistig längst da ist. Und wie? „Führt ein Leben, das des Rufes würdig ist, der an euch erging“, heißt es in der Lesung. Vielleicht ist es dies, was hilft, Christus in dieser Welt Fleisch werden zu lassen: zuerst der Mut, sich dem Gedanken, nein: der Realität!, zu stellen. Dann der Sinn für unsere Würde. Und schließlich der Enthusiasmus, der alle Lethargie verbannt. Mut, Würde, Enthusiasmus.
Der stille, inspirierende, aktive Enthusiasmus der christlichen Hoffnung. Nicht das Grölende der Stadien und Plätze, wo sie auf einen Sieg hoffen; nicht das Naive und Kurzatmige der Gedankenlosen, nicht das Verbissene der Fanatiker. Nein, „Hochherzigkeit.“
Sich erheben: Das tut not. Politik, Kirche, Pfarre, Ehe… brauchen die Erhebung. Um über sich selbst hinauszuwachsen. Um mehr zu werden als das erstickende Minimum. Um Würde zu erfahren. – Die allermeisten Menschen auf dieser Erde wünschen sich doch nicht, dass alles so bleibt, wie es ist. Sie sehnen sich nach Veränderung. Aber ihnen ist bange. Die Kirche, die sich dem Wort stellt und Christus Fleisch werden lässt, ist die Quelle der Veränderung und der Hoffnung.
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