32. Sonntag im Jahreskreis (C), 6. November 2016 – „Für ihn sind alle lebend.“ –
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
Für uns sind alle tot, früher oder später. Die, die im Lauf dieses Jahres gestorben sind, wir selbst, alle anderen: tot. „Für ihn sind alle lebend“, sagt das Evangelium. Für Gott sind alle lebend. In diesem Evangelium geht es um den Unterschied zwischen Gott und uns, zwischen dieser Welt und seiner Welt. Es geht um die Wirklichkeit.
Was ist der Tod? Was ist Gott? Was ist jene „Herrlichkeit“, von der so oft die Rede ist? Hat der Weinstock ein Geheimnis? Gibt es nur diese Wirklichkeit hier? Wer auf die Musik hört oder ein Bild betrachtet, ahnt, dass es viel mehr gibt. Es geht um das Fragen, um Ihre Phantasie; um Ihre Vision von Wirklichkeit und Welt. Es geht um Ihren Glauben. Was glauben Sie wirklich?
Wir Menschen können Leben beenden. Wir können töten. Wir können anderen und uns selbst das Leben nehmen. Aber keiner kann sich selbst das Leben geben. In diesem einen Punkt hängen wir von anderen ab. Andere geben mir das Leben. Hier öffnet sich eine Tür zu Gott. Zu seiner Wahrheit, seinen Taten, seinen Rechten.
Wir halten den Tod für das Allerwirklichste. Der Tod steht fest, er ist nicht zu bezweifeln. Der Tod ist eindeutig, unumkehrbar, nicht übertragbar. Christus hingegen sagt: Nein, der Tod ist nicht wirklich. Das ist nicht die endgültige, wirkliche Wirklichkeit.
Gott ist ein Gott der Lebenden. Gott widerruft nicht, niemals. Selbst denen in der Hölle nimmt er das Leben nicht wieder. Gott tötet nicht, was er geschaffen hat. Gott widerspricht sich nicht selbst.
Die Sadduzäer waren eine Bewegung im Judentum, die nur die ersten fünf Bücher der Bibel als Norm anerkannte. Dort steht nichts von der Auferstehung der Toten. Also gibt es auch keine.
Jesus greift dieses Gebäude aus Gedanken an. Nicht mit einem Wunder, nicht mit göttlicher Autorität: mit Argumenten. Diese Leute wollen ihn lächerlich machen; sie nehmen ihn nicht ernst. Doch er spricht mit ihnen.
Diese Leute stellen sich die kommende Welt vor wie eine Verlängerung, eine bloße Verbesserung dieser alten Welt hier. Warum nicht mehr Phantasie? Warum nicht mehr Hoffnung? Warum so armselig?
Wenn der Himmel nur ein besseres Hier ist, ist es kein Wunder, dass sich keiner für das „ewige Leben“ begeistert. Ich denke, der Himmel ist eine Frage der Fantasie. Fantasie ist wie Tanzen. Sie ist das Wagnis des Verstandes. Warum wagen Sie so wenig? Warum sagen Sie so oft: Das geht nicht, das war nie so, das wird nie etwas und so selten: Toll! Wir versuchen es. Es wird schwierig, aber wir machen es!
Warum glauben Sie nicht wirklich an den Himmel? Warum sehnen Sie sich nicht nach dem Ewigen Leben mit Gott?
Was Jesus da sagt, läuft ins Leere, wenn er nicht auf Sehnsucht, auf Stärke, auf Fantasie trifft. Jesus sagt: Der Tod ist überwunden. Er sagt: Die Auferstandenen werden an Gottes Herrlichkeit teilnehmen. Jesus sagt: Die biologischen Gesetze dieser Welt werden hinfällig sein.
In dieser Welt gilt: Mann und Frau gründen eine Familie, um Kinder zu haben. Kinder wollen sie, um Nachkommen zu haben. Nachkommen wünscht sich der Mensch, weil er sterben wird. Wo es keinen Tod mehr gibt, braucht man auch keine Nachkommen mehr. Man braucht Freunde. Brüder. Schwestern.
Liebe und Dauer und Vereinigung brauchen wir immer. Deswegen wird es die auch im Himmel geben. Auch die Empfindung bleibt. Der reine, verklärte Leib ist noch sensibler für die Lust als der alte Leib. Der Himmel ist eine neue Welt, – in der uns die alte nicht fehlen wird: Lasse ich mich auf neue Gedanken ein?
Abraham, Isaak, Jakob, Mose waren Männer, die sich auf Gott eingelassen haben. Sie haben wirklich etwas gewagt. Wer den Verheißungen Gottes traut, der wagt viel. Und in der Tat: Die Verheißungen, die Gott ihnen machte, haben sich zu ihren Lebzeiten hier nicht erfüllt. Mose starb, ohne in das Gelobte Land ziehen zu dürfen. Also hat Gott ihn belogen. Oder aber Mose lebt weiter, nur anders als bisher und Gott wird seine Verheißung an ihm erfüllen.
„Für ihn sind alle lebend“, sagt Jesus von Gott. Und im Buch Exodus (3) sagt Gott von sich selbst: „Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Wären Abraham, Isaak, Jakob wirklich tot, wären unsere Verstorbenen wirklich tot, weg, ausgelöscht, dann wäre Gott ein Gott der Toten. Doch für ihn sind alle lebend.
Das Gesetz von Geburt und Tod, dieser enge Rahmen, ist nicht ewig. Das Leben lässt sich darin nicht einfangen. Gott allein ist weit genug für das Leben.
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