7. Sonntag der Osterzeit (C), 8. Mai 2016
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
„Alle sollen eins sein.“ Ich höre das nicht gern. Ich erlebe immer mehr, mit denen ich nichts zu tun haben will. Die zudringlichen Bettler in der Kärtnerstraße, die Populisten in der Politik, die die Leuten vom Nachdenken abhalten. Oder die Ex-Jugos, die Auto fahren, als gälten die Regeln nur für die anderen… Und da funkt mir Jesus drein, wieder einmal: Alle, die glauben, sollen eins sein, sagt er. Darum betet er am Ende seines Lebens: um Einheit.
Und er hat Recht. Sie hier wissen, wie wichtig die Einheit ist. Sie kämpfen ja um Einheit in Ihren Familien (vielleicht besonders die Mütter). Die einen vermitteln, wenn Vater und Sohn sich streiten. Andere ertragen es, wenn die Schwiegermutter die Schwiegertochter sekkiert: damit die Familie beisammen bleibt. Andere halten an sich, wenn die Pflegebedürftige Streit sucht. Der Bürgermeister muss vermitteln; die Jäger müssen ihre Streitereien lösen; die Weinbauern sich nach einem Streit wieder grüßen und zusammenhalten. Immer geht es um Einheit. Auf dem Dorf noch mehr als in der Stadt; aber auch in der Stadt wird es unlebbar, wenn alle gegen alle gehen. Wie auch immer: Ohne Einheit sind wir nicht überlebensfähig. Weil der Mensch andere Menschen braucht. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Und Jesus hebt uns noch einmal auf ein ganz anderes Niveau.
Wie gelingt das, die Einheit? An Christi Himmelfahrt neulich wurde uns ein Rezept geliefert. Der Kommandant der Feuerwehr nahm das Versprechen der jungen Feuerwehrleute entgegen. Sie versprachen „Disziplin und Gehorsam“.
Ich musste ein wenig schmunzeln dabei. Was, wenn ein Pfarrer „Gehorsam und Disziplin“ fordern würde? Aber dann wurde ich nachdenklich. Natürlich braucht es Disziplin und Gehorsam (ich biete Ihnen oft beides). Aber geht Einheit so? Die meisten würden sagen: ja klar. Aber ich frage: Möchte Sie wirklich in einem Staat oder einer Kirche oder einer Familie leben, wo die Einheit durch „Disziplin und Gehorsam“ zustande kommt?
Jesus spricht offenkundig von einer anderen Art der Einheit. Disziplin und Gehorsam schaffen eine äußerliche Einheit, ein Funktionieren. Jesus spricht von einer inneren, geistigen, wirklich tiefen Einheit unter den Gläubigen.
Es gibt in der Kirche Miteinander, Gegenüber, Über- und Unterordnung. Das alles muss nicht schlecht sein; oft entspricht es der sachlichen Notwendigkeit. Aber Jesus spricht von Einheit. Das ist ihm das Wichtigste. Sein Modell ist die Einheit in Gott, nicht die Partei oder das Militär. Die Einheit zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn. Keine bloß rechnerische Einheit – eins und eins macht zwei –, keine bloß moralische Einheit – wir mögen uns, wir haben die gleichen Pläne, deswegen sind wir einig und eins –, sondern eine Einheit im Sein. Ein Gott in drei Personen. Wir Gläubigen sollen also nicht nur eine zählbare Gruppe sein, nicht nur durch gleiche Pläne verbunden sein, sondern eins sein, weil wir alle in Christus leben.
„Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins sind, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir.“ – „Herrlichkeit“, damit meint Jesus das Leben Gottes, die Wahrheit und die Schönheit Gottes. Das hat er in sich und das gibt er denen, die an ihn glauben. Jesus gibt das göttliche Leben an seine Jünger („Empfangt den Heiligen Geist!“) und durch sie über sie hinaus. Kirche ist: Weitergabe des göttlichen Lebens. Damit der Vater das Herz aller sei. Gott im Sohn, in den Jüngern und in allen, die durch die Jünger zum Glauben kommen. In uns. Das ist eine Einheit, die über das hier hinausgeht. Sie reicht in die Geschichte und in die Zukunft. Sie reicht bis in den Himmel, zu Gott. Sie ist eine Einheit, die gar nicht eng werden kann.
Und wie entsteht diese Einheit? Durch die Verkündigung und die Sakramente. Verkündigung und Sakramente machen, dass ich Sie immer wieder ganz neu sehe.
Stephanus in der Lesung sieht, was gemeint ist. „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ Er sagt, was er sieht. Das kostet ihn das Leben. Aber sein Martyrium ist ein Wendepunkt: Jetzt geht die Kirche weg von Jerusalem, nach Judäa, Samarien und dann zu den Heiden, in die ganze Welt, zu allen Menschen. Und die sind alle eins durch das Leben Christi in ihrem Herzen.
Diese Art von Einheit können wir Christen der zerrissenen, konkurrierenden Welt schenken. Jede Gemeinde, jeder Verein kann also froh sein, wenn Christen mittun: weil wir mehr als Disziplin, Gehorsam und Organisation beisteuern: eine tiefere, stabilere, liebevollere, freiere Einheit, die bis in den Himmel reicht.
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