Hochfest der Muttergottes, 1. Jänner 2012
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Hl. Geistes
Wir werden im neuen Jahr vielen Menschen begegnen, aber der erste ist Maria. Heute. Der erste Jänner ist das „Hochfest der Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Die Messe beginnt mit den Worten: „Gruß dir, heilige Mutter!“
Wir begegnen also zuallererst einer Frau – von der wir nicht viel wissen. Wir kennen ein paar Stationen ihres Lebens – Nazareth, Bethlehem, Jerusalem. Wir wissen, dass Maria eine Frau war, die Fragen stellte, die nachdachte; dass sie auch schwere Stunden zu bestehen hatte. Und dass sie, noch ganz jung, vor einen großen Auftrag gestellt wurde: „Du wirst ein Kind empfangen…“ Wir können uns denken, dass sie deswegen gewiss oft allein war unter den Menschen. Alles andere ist fast schon Spekulation. Eines allerdings scheint durch alle diese Informationen hindurch: Maria war die Frau, die keine Angst hatte.
Vielleicht hat ihr Charakter dazu geholfen; aber viel wichtiger: Ihr Glaube machte sie furchtlos. Wer das Geschenk des Glaubens vom Heiligen Geist annimmt, verliert seine Angst (ich sage Ihnen das, weil Charakter und Lebensbildung eine Rolle spielen, aber nicht alles entscheiden. Der Hl. Geist kann jede Grenze weiten.)
Angst, das ist Bindung an Erfahrungen, an Bekanntes und Erdachtes. An Altes. Maria hat keine Angst. Warum? Weil sie der neue Anfang ist.
Mitten unter all den Menschen, die nichts tun, als nur das Alte zu verteidigen; die sich selbst verloren haben; die verzweifelt auf Anerkennung aus sind; die ständig auf der Hut sein oder imponieren müssen, mitten unter all denen ist Maria rein und neu. Maria ist wirklich wie die frische, stille Morgenröte der neuen Welt.
Für uns bedeutet das: Wo die anderen nur ein neues Jahr feiern, da feiern Christen eine neue Zeit. Wo die anderen sich vor der Zukunft fürchten, da haben Christen keine Angst. Denn sie vertrauen. Mit Maria.
Ein Mensch – Maria – verhilft der neuen Welt zum Durchbruch. Sie hat Gott vertraut. Auch wenn sie nicht alles verstehen konnte: Sie glaubte fest, dass „denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht“. – „Selig, die geglaubt hat!“
Gott bewirkt das Neue im Geist und sogar im Körper. In einer Geburt. Maria hat Gott geboren.
In der Alten Welt war eine Frau ohne Mann nichts. Maria war allein und hatte keinen Mann. Gerade bei so einer Frau entsteht das neue Leben. Gott handelt in dem, was die Welt abschiebt.
Maria, das ist Warten, Stille, Hingabe, Einsamkeit, Jungfräulichkeit und die Gefahr eines verpfuschten Lebens. Und genau das alles wird jetzt fruchtbar. Maria sagt Ja und empfängt ein Kind. Jesus von Nazareth hatte keinen leiblichen Vater; er hatte nur eine Mutter: Maria. Jesus ist die neue Schöpfung. Das ist viel mehr als ein neues Jahr. Ein neuer Anfang für eine hoffnungslose Menschheit.
Und was genau ist das Neue an Jesus? Jesus ist Mensch für Gott. Wir sind manchmal mit und manchmal ohne Gott; manchmal sogar gegen Gott. Jesus ist der Mensch für Gott. Der wahre Mensch. Denn der Mensch, so wie er gedacht war, ist ein Kind Gottes.
Deswegen haben wir Hoffnung. Weil ganz in der Mitte der Kirche und der Welt Jesus und Maria leben.
Gott ist Mensch geworden; er ist in Jesus neben uns durch Leid und Tod gegangen; er hat uns in seine Auferstehung mit hinein genommen: Deswegen ist die „Hoffnung voller Unsterblichkeit“ (Weish).
Wir haben 2015 noch deutlicher gesehen, dass Christus Leid und Tod nicht abgeschafft hat. Aber durch Jesus und Maria haben wir die Gewissheit, dass am Ende alles gut sein wird. Viele unserer Pläne werden nicht aufgehen, viele unserer kleinen Hoffnungen werden sich nicht erfüllen, wir sind vor Krankheit und Schmerz nicht gefeit, aber am Ende werden wir heil sein. „Denn das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“
Wir haben Hoffnung und sind deswegen nicht mehr allein. – Angst ist eine asoziale Kraft; wer Angst hat, kann nicht lieben, nicht Gemeinschaft halten, nicht Beziehungen pflegen. Aber wir haben keine Angst. Wie Maria. Wie die Schwestern und Brüder, die heute an ihrem Glauben festhalten trotz Gefahr und Verfolgung. Wir sind frei, das Gute zu tun; unsere Sorgen (in der Flüchtlingsfrage z. B.) nehmen uns nicht die Kraft zu helfen. Das Gute, das wir dem Nächsten tun, ist nie vergebens und nie verkehrt. Wir haben Hoffnung, also haben wir Mut zu Experimenten. Was nicht funktioniert, lassen wir eben wieder bleiben… Wenn dunkle Wolken auftauchen, wissen wir: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“
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