Christtag 2015
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
33 Jahre lang und dann Schluss? – „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Dieser Satz aus dem Johannesevangelium, dieser seltsame und feierliche Satz, bedeutet: Gott wurde Mensch – Jesus aus Nazareth. Jesus: wahrer Gott und wahrer Mensch.
Die Weihnachtsgeschichte erzählt von einem unerhörten Ereignis: Gott ist Mensch geworden. Sie berichtet im Kern von einer Weltrevolution, – und dass die von einem Kind ausgeht, ausgerechnet in einem Stall passiert, das ist der Gipfel.
Gott, der doch reiner Geist ist, wird ein Körper. Gott, der allgegenwärtig ist, wird hier: Bethlehem. Ewig wird Zeit. Allmacht wird Schwäche, denn der Mensch ist schwach. Gott wird Mensch: Ein Unterschied, der größer nicht sein könnte, ist wie aufgehoben. Statt Trennung: Nähe. Und warum das alles? Damit etwas geschehe.
Jesus hat, sagt die Überlieferung, 33 Jahre auf dieser Erde gelebt. Das war vor 2000 Jahren. Dann kam er zu Tode. Also Schluss mit Gott auf dieser Erde? Jesus war hier und ist nun nicht mehr hier? Ist Jesus nur eine Erinnerung?
Die ersten Christen behaupteten, er sei auferstanden von den Toten, drei Tage nach Kreuz und Grab. Und wir glauben ihnen und bekennen das bis heute. „Auferstanden von den Toten.“ Das aber bedeutet: Wir haben zuerst die Ankunft Jesu vor mehr als 2000 Jahren. Weihnachten. Diese erste Ankunft verändert den Blick auf diese Welt und auf Gott. Denn sehen Sie, die meisten Religionen beschäftigen sich mit der Frage: Wie kann der Mensch aufsteigen? Kraft gewinnen, Einsicht? Wie kann er stark werden? Weg von dieser Welt gelangen in eine viel bessere? Die Christen hingegen wollen nicht zuerst weg von dieser Welt; auch nicht sich über diese Welt erheben. Denn Christen glauben: Gott ist in diese Welt gekommen; warum sollen wir dann weg? Christen wollen nicht vor allem stark werden; denn Gott wurde schwach. Also muss Schwäche doch etwas Gutes haben. Gott wollte nicht wegbleiben von dieser Welt, sondern hinein in sie. Und das ist eine Hoffnung. Gerade für diese Welt von heute: Gott ist da. Gott ist in der Schwäche. Er ist da. Aber er ist nicht hier gefangen. Er wurde schwach und bleibt dennoch Kraft. Hoffnung, darum geht es. Deswegen ist in unseren Gottesdiensten immer wieder die Rede von den Propheten des Alten Bundes: Weil sie den Menschen Hoffnung gemacht haben. Die Kirche schweigt diese Verheißungen nicht tot; sie spricht von der Hoffnung, immer wieder – auch wenn sie sich damit ausliefert. „Wo bleibt denn euer Heil und eure Erlösung?“, müssen die Christen sich fragen lassen. Damit gehen wir Christen den gleichen Weg wie Gott selbst. Auch er muss sich seit Weihnachten fragen lassen: „Du bist in diese Welt gekommen, ja? Was hat ihr das gebracht?“ Ahnen Sie, welche Hoffnung (aber auch welcher Druck) sich da aufbaut, Jahr um Jahr, Jahrhundert um Jahrhundert? Ist Weihnachten nur Gefühl und Harmonie – oder die Wende? Neue Hoffnung und neue Tat?
Es gibt nicht nur eine Ankunft Jesu; nicht nur die damals in Bethlehem. Es gibt noch eine zweite Ankunft Jesu. Denn „auferstanden“ bedeutet: Jesus lebt. Jetzt. Er lebt – und kann jeden Augenblick da sein. „Das Wort wird Fleisch“ vielleicht in dem Augenblick, wo… Oder wie es beim Propheten heißt: „Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr…“ Der Prophet fragt aber auch: „Doch wer kann bestehen, wenn er kommt?“ (Mal 3). Vielleicht kann man es so sagen: Nur der Echte. Oder so: Wir sollen daheim sein, wenn er kommt. Bei uns selbst sein; wir selbst sein, nicht uns selbst fremd geworden sein, nicht nur noch Masken sein. Damit der wahre Jesus den wahren Menschen trifft.
Jesus kommt als Hirte zu uns, sagt das Alte Testament. Ein Hirte, der uns behutsam auf den Armen trägt. Und Paulus sagt: Jesus kommt zu uns als die „Menschenfreundlichkeit Gottes“. Warum? Damit etwas geschehe. Damit die Welt anders werde.
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