20. Sonntag im Jahreskreis, 17.8.2014
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
Nicht wenige Köpfe denken heute darüber nach, was aus unserer Gesellschaft werden wird. Die Antwort, die immer wieder kommt: Es geht um die Gottesfrage. Mit ihr steht und fällt alles. Ich denke, das ist richtig. Also: Wie nehmen wir Gott wahr? An was für einen Gott glauben wir? Was trauen wir Gott zu, was erwarten wir von ihm? Und was nicht? Wer ist Gott?
Sie bekommen mit, wie weltweit die Religion wieder erstarkt, oft auf unsympathische oder Furcht erregende Weise. Sie verstehen also, dass wir uns um solche Dinge Gedanken machen müssen (schon um der Kinder willen). Welche Religion wollen wir? Oder besser gar keine Religion? Die Überlegungen dazu füllen ganze Bibliotheken mit schwierigen Büchern. Das soll uns hier nicht abhalten, über die Frage nachzudenken. Ganz einfach; auf der Grundlage der Worte, die uns die Liturgie heute gibt. „Wahrt das Recht und übt Gerechtigkeit“, heißt es in der Lesung aus dem Propheten Isaias.
„Gerechtigkeit!“, das hört man in Sonntagsreden von Politikern, wo es nichts bedeutet. Oder es muss gesagt werden, weil die Gerechtigkeit eben nicht gewahrt wird; weil etwas nicht stimmt.
Stimmt bei uns alles mit der Gerechtigkeit? Ich denke nicht. Wenn uns einer Unrecht tut, sind wir empört. Wenn anderen Unrecht getan wird, sind wir vielleicht empört. Vielleicht ist uns auch nur unbehaglich. Oder es ist uns gleich. Je nachdem, wie nahe uns die sind, denen Unrecht geschieht. Für uns wollen wir Gerechtigkeit auf jeden Fall; für andere nur fallweise. Grundsätzlich ja, aber praktisch tun wir wenig bis nichts. Gerechtigkeit für andere – das weckt in uns keine Leidenschaft. „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit… für alle!“, dieses Wort Jesu trifft die meisten nicht. Da haben wir schon das erste Problem mit der Gerechtigkeit.
Es liegt daran, dass uns andere fern sind; dass wir sie gar nicht wahrnehmen als Wesen, die einen Anspruch auf Gerechtigkeit haben. „Die gehen mich nichts an.“ – „Ich kann mich nicht um alles kümmern.“ – „Ich will nichts von denen, und die haben mir nichts gegeben.“ Solche Reden gehen uns durch den Kopf.
Und so halten es viele auch mit Gott. Sie denken: Gott ist weit weg. Er berührt mein Leben nicht wirklich. Sie sagen: Leben entsteht, weil ein Mann und eine Frau sich treffen; oder weil ein Arzt mit Reagenzgläsern hantiert. Das Leben ist kein Geschenk Gottes (und schon gar kein Auftrag Gottes). – Sie sagen: Was ich habe, das habe ich aus ein bisschen Glück und viel eigener Leistung. Nicht weil Gott es gegeben hat. – Sie sagen: Nach dem Tod kommt nichts mehr, also muss ich mir keine Gedanken machen, über das, was Gott will. – Sie denken: Gott ist kein echtes Gegenüber. Er ist irgendetwas, aber kein DU (wie kann einer, der so denkt, das Vater Unser mitbeten?). Nur wenn es schlecht geht, dann wenden diese Leute sich an den Gott, den sie sonst verachten und klagen ihn an: Warum ich?
Wenn Gott aber kein echtes Gegenüber ist, wenn er uns nichts gibt, dann müssen auch wir ihm nichts geben. Gott hat keine Rechte; wir haben keine Pflichten ihm gegenüber. Sie werden zugeben, dass viele, die Sie kennen, genauso denken.
Wer so denkt, hat eigentlich den Kontakt mit Gott abgebrochen. Kein Gehorsam, keine Pflicht. Stattdessen Freiheit und Emanzipation und ein Sonntag ganz für mich. So sieht es lange aus. Aber dann wird klar, was mit im Paket war: Willkür, Sinnlosigkeit, Einsamkeit.
Wer Christ ist, glaubt: Gott ist nicht eine Art Gaswolke. Gott ist eine Person. Er hat also Rechte. Zuallererst ein Recht auf Achtung. – Gott gibt das Leben. Das Leben entsteht nicht aus Ei und Samenzelle allein, sondern wo Vater und Mutter wirken, wirkt Gott mit. – Gott gibt eine Ordnung. Es ist nicht gleich, wie Menschen zusammen leben; es regelt sich auch nicht von selbst, und die Regeln machen nicht wir allein. Es gibt Regeln, die vorgegeben sind. Es gibt Pflichten, die wir erfüllen müssen (im Beruf akzeptiert das jeder – warum nicht in der Religion?). – Gott gehört etwas, das er uns zur Verfügung stellt und das man ihm nicht nehmen darf. Seine Schöpfung. Die Zeit. – Gott erwartet etwas („Von dir erwarte ich nichts mehr“). – Gott kann beleidigt werden (das Gesicht Jesu). – Gott richtet. Was wir tun, ist relevant. Es hat Auswirkungen auf andere, auf kommende Generationen – und auf unser Leben nach dem Tod. Wir haben Verantwortung.
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