Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Montag der 4. Osterwoche, 12. Mai 2014 – Joh 10, 11-18

11/06/2014 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Eine bizarre, unappetitliche Vision und eine Rede über Hirten und Schafe: Die Texte der heutigen Liturgie scheinen alles tun zu wollen, damit die Hörer sofort aussteigen. Wenn Visionen als Argumente dienen, werden wir misstrauisch. Hirten und Schafe, das ist eine Kultur, die wir längst hinter uns gelassen haben.

Der Umgang mit der Heiligen Schrift fordert immer eine Anstrengung. Heute besonders die, die eigenen Vor-Urteile zu übergehen. Wer das schafft, wird entdecken, dass die Lesung und das Evangelium in ihrem Zusammenspiel höchst aktuell sind. Sie sprechen ein Thema an, das uns alle umtreibt: Weite. Also das Gegenteil von Abgrenzung.

Weite – das ist das Thema dieses Tages in der Osterzeit. Petrus, der Vornehmste der Apostel, hat eine Vision und versteht: Die Kirche ist weit. Die Botschaft von Jesus, dem Herrn und von seiner Auferstehung ist nicht nur für die Juden, sondern für alle Menschen. Und im Evangelium sagt eben dieser Jesus: „Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind.“

Was Petrus heute erkennt (und Paulus in die Tat umsetzt), stimmt also zu dem, was Jesus lehrt. Und alles zusammen ist Grundbestand unseres Glaubens. Keiner könnte hergehen und lehren: Wir müssen die Kirche schließen! Sie darf nicht weit sein, sie muss fest und geschlossen sein. Das wäre Abfall vom wahren Glauben.

Es geht, das ist die Quintessenz der beiden heutigen Texte, es geht von denen, die man kennt, die leben, wie man selber lebt, hin zu denen, die man nicht kennt und die womöglich ganz anders leben.

Die Juden damals, das war trotz mancher Unterschiede und trotz der Zerstreuung, ein Volk: ein Ritus, ein Heiligtum, gemeinsame Erzählungen und Erinnerungen. Geborgenheit. Damit ist jetzt Schluss. Ein ungeheurer Schritt der Kirche: über die Juden hinaus in die ganze Welt. Egal, was dort zu finden sein wird. Über die Juden hinaus, das heißt: hinaus über sich selbst. Ein Schritt, der diesen Juden und Jüdinnen, den ersten Christen existentiell alles abverlangt. Jeder, der sich schon einmal auf etwas ganz Neues, Fremdes einlassen musste, weiß, wie es ihnen ging. Ein Epochenwende der Geschichte, bewirkt von sehr schlichten Männern. So etwas kann nur vom Heiligen Geist kommen.

Und aus der Begegnung mit Jesus Christus (beides haben wir auch!). Jesus sagt von sich: „Ich bin der gute Hirt.“ – Die Wortwahl zeigt: „gut“ ist hier nicht gleich lieb, freundlich und sanft (die verbreiteten Gut-Hirten-Bildlein verbreiten eine schiefe Lehre). „Ich bin der gute Hirt“, damit sagt Jesus: Ich bin der richtige, legitime, endgültige. Der königliche Hirte am Ende der Zeiten; der, den die Propheten angekündigt haben. Ich bin die Erfüllung. Und eben deswegen: Weite.

Gott ist der Schöpfer und Vater aller Menschen. Er hat seinen Sohn nicht nur Israel gegeben, sondern der ganzen Welt. Und der Sohn gibt sein Leben nicht für ein paar wenige Auserwählte, sondern für alle Menschen. Weil er alle Menschen kennt.

„Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich.“ Jesus kennt uns nicht auf analytische, abstrakte Weise. Er kennt uns in der Weise der Liebe. Die Art, wie Jesus die Menschen kennt, gründet in der Art wie Gott-Vater und Gott-Sohn sich kennen. Sie kennen sich in der Liebe.

Das ist also das einzige Kriterium: Jesus muss den Menschen kennen, und der Mensch muss ihn kennen. In der Weise der Liebe. Kein Wort zu Hautfarbe, Herkunft, Bildung, Veranlagung, Geschlecht, kein Wort zu Kleidung oder zu Bärten. Kein Wort des Herrn zu all dem, das wir hernehmen, um unsere Sicherheiten zu konstruieren.

„Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind.“ Woher sie sind, sagt Jesus nicht. Aus gutem Grund: Weil sie von überall her sind. Jesus sammelt die zerstreuten, auseinander gejagten Schafe. Das ist nicht nur eine Anspielung auf die Geschichte der Juden, sondern ein Bild der Menschen insgesamt: zerstreut, auseinander gejagt, überall.

„Es wird nur eine Herde geben.“ Jesus spricht in der Zukunftsform. Aber er handelt in der Gegenwart. Jesus sammelt jetzt. Und er sammelt so viele Menschen. Die so verschieden sind. Er sammelt an allen Orten, zu allen Zeiten. Auch dort, wo wir es nicht für möglich halten würden.

Seine Kirche ist weit.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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