Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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31. Sonntag im Jahreskreis (C), 3. Nov. 2013

19/11/2013 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Die ganze Welt ist vor dir“ – Gott – „wie ein Staubkorn.“ Also ein Nichts. Das kennt man, wenn man religiöse Sprache kennt: die Rede von der Nichtigkeit der Welt. Die, die etwas zu kennen meinen, laufen aber Gefahr, nicht richtig hinzuhören.

Denn so geht es weiter im Text der Lesung: „Die ganze Welt ist vor dir wie ein Staubkorn… wie ein Tautropfen, der am Morgen zur Erde fällt.“ Also schön. Ein Tautropfen im Licht der Morgensonne ist schön. Für Gott ist die Welt schön.

Und für uns? Wie ist die Welt für Sie? – Wie sehen wir die Welt an? Die Zeit, in der wir leben? Lieben Sie das Leben? Oder sind Sie vor allem misstrauisch? Ablehnend? Wie anders der Blick Gottes auf die Schöpfung ist! Das ist doch der Grundton der Lesung: die Zuneigung Gottes zur Welt. Jeder Satz hier spricht die Bewunderung aus, die Gott für seine Schöpfung hat. Die Achtsamkeit Gottes und die Nachsicht, mit der er sein Werk frei gibt. Vielleicht so, wie ein Vater den erwachsenen Sohn freigibt, auch wenn der Dinge tut, die ihm nicht gefallen; wie eine Mutter ihre Tochter achtet, auch wenn die pubertär randaliert.

Dieser Text aus dem Buch der Weisheit vergöttert die Welt nicht. Sie ist nicht alles; sie ist nicht die Herrin. Sie ist das Werk Gottes – und im Vergleich mit Gott ist sie tatsächlich nichtig. Aber gleichzeitig versteht der, der diesen Text betrachtet: So kostbar ist die Welt.

Und damit haben wir nicht gerechnet. Weil wir die Welt in der Regel nicht als kostbar ansehen. Oder nur sehr, sehr ausschnittsweise: süße Eisbärbabies sind kostbar und eine Landschaft in Schottland und eine gotische Kathedrale und ein Klavierkonzert von Mozart. Aber der Eisbär, der das Seehundbaby frisst? Die Großstadt aus Beton? Der brutale Rapper mit seinen vulgären Bikini-Frauen? Ist das kostbar? Achtet Gott nur das, was schön ist? Ist schön nur das, was wir schön finden? Kann uns bei dieser Lesung nicht endlich der Gedanke kommen: Das Erste ist die Zuneigung Gottes für die Welt. Das Unterschiede-machen, die Sorge, die Ablehnung, die Verurteilung ist immer das Zweite. Bei uns ist es umgekehrt, nicht wahr? Bei uns ist nicht die Zuneigung das Erste.

 

Gott verschließt nicht die Augen. Gott ist kein harmloser Opapa, der nichts mehr mitbekommt. Er bestraft die Sünder; da steht es. Aber, so steht es da auch, „nur allmählich“. – „Du mahnst sie, damit sie sich von der Schlechtigkeit abwenden und an dich glauben.“ Aber zu allererst ist da die Bewunderung Gottes für die Welt. Wie auch nicht? ER hat sie ja gemacht.

Heute erzählt jeder Vater seinem Sohn (auch hier in Mailberg): Glaub’ nicht, was in der Bibel steht. Die Welt ist nicht von Gott erschaffen, sondern durch den Urknall. Nur: Warum knallt es plötzlich mitten im Nichts? Und was knallt da?

Die Kirche lehrt längst nicht mehr, dass Gott die Welt in exakt sieben Tagen erschaffen hat. Die wahre Kirche hat (allmählich!) verstanden, was der Schöpfungsbericht wirklich sagen will: dass die Welt nicht schon immer da war. Die Welt ist nicht absurd und kein Chaos: Das lehrt die Bibel. Sie lehrt: Gott hat die Welt gewollt und er hat sie gemacht. Aus dem Nichts. Und die Welt ist gut. Denn Gott kann nichts Schlechtes schaffen. Was Gott da erschaffen hat, „war sehr gut“, steht in der Bibel: der Kernsatz. Das Erste. 

Gott achtet sein Werk so hoch, dass der selbst die Bösen nicht auslöscht. Er straft die, die die Menschen quälen und die Schöpfung zerstören. Er straft, aber er vernichtet nicht (Hölle). Denn Gott verabscheut nicht, was er selbst gemacht hat: „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts, was du gemacht hast.“

Gott hat den Menschen erschaffen, aus dem dann der Tyrann Hitler wurde. Und Gott verabscheut sein Werk nicht. Er verabscheut höchstens, was wir daraus machen. Insofern dieser Mensch, Hitler…, erschaffen ist, ist er gut. Das Sein ist immer gut. Das Böse ist das verdorbene Sein; der Mangel; die Abwesenheit des Guten.

Wieso aber lässt Gott zu, dass aus der Abwesenheit des Guten, aus dem Defizit Hitler… so viel Leid entsteht? Das Rätsel des Leidens bleibt. Vielleicht werden wir eines Tages verstehen. Bis dahin bleibt uns nur dieses: Auch Jesus, der Sohn Gottes, gibt keine Antwort auf das Leid in der Welt. Er teilt es nur mit uns („le face à face dans les ténèbres“). In Jesus holt Gott die Welt samt ihrem Schmerz zu sich zurück. Er lässt die Welt nicht, wie sie ist.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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