Fest des hl. Ulrich von Augsburg
Fest des hl. Ulrich von Augsburg Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Manchmal, wenn ich auf den Höhen über dem Main stehe und auf die Dörfer schaue, denke ich mir die Neubaugebiete, Lagerhallen, Sparkassen und Supermärkte weg. Dann stehen die Dörfer so wunderschön vor mir, wie sie in meiner Kindheit waren und vielleicht schon in der Zeit, als der Napoleon über den Main zog. Wäre er nur ersoffen drunten an der Furt! Darf man so denken? So reden in der Kirche? Darf man antworten: Wenn ihn der Main fortgetragen hätte, wären hunderttausende Männer nicht gefallen seinetwegen, Moskau hätte nicht gebrannt? Immer wieder steigen Bilder aus der Geschichte vor mir auf. Auch das Bild des hl. Ulrich. Vielleicht kommt es aus einem Helden-Buch meiner Kinderzeit. Ich habe es noch immer vor Augen: der hl. Bischof Ulrich zu Pferd neben dem König Otto und vielen Rittern. Die Männer machen sich auf zum Lechfeld vor Augsburg, um das Land gegen die Ungarn zu verteidigen. Immer und immer wieder waren diese Reiter aus dem Osten gekommen, nicht um Land zu erobern und dann zu regieren, nein, einzig um Beute zu machen, zu zerstören und wieder zu verschwinden. Sie kamen nur um zu kämpfen, weil wilde junge Männer kämpfen wollen oder um zu morden, weil Menschen sogar daran Lust finden können. Der Bischof zog mit dem König in den Krieg, kämpfte, und sie siegten. Die berühmte Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955. Das alte, das frühe Europa gerettet. Aber Gefahr ist immer noch. Feinde sind immer noch. Wer sind unsere Feinde? Ich sehe doch recht, dass jeder hier seine Feinde hat oder hatte, dass jeder irgendwo streitet und kämpft? Die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung in Oberösterreich sieht das anders. Sie sagt: „Ich glaube an das Gute in jedem von uns. Wir Menschen sind viel besser, als wir glauben. Wir sind fähig zur Liebe, wir wollen, dass alle ein gutes Leben haben.“ Hat die Frau den 7. Oktober verschlafen? Liest Sie keine Zeitung? Kennt sie kein einziges Geschichtsbuch? Es gibt eine Menge Menschen, die nicht wollen, das andere Menschen ein gutes Leben haben. Sind die unsere Feinde? Oder sind, wie ein Bischof meinte, die unsere Feinde, die kein Kreuz in den Amtsstuben wollen? Und ich frage weiter: Die Brautpaare, die bei ihrer Hochzeit wissen, dass sie nicht mehr in die Kirche kommen werden; die Eltern, die beim Taufgespräch wissen (aber es natürlich nie sagen), dass sie ihr Kind nicht katholisch erziehen werden; die Firmlinge, die im Moment der Firmung wissen, dass dies ihr Abschied von der Kirche ist; die, die uns am Sonntag im Stich lassen: Sind die alle unsere Freunde? Und gegen wen kämpfen die Bischöfe heute? Gegen Verwaltungsprobleme? Gegen den Geldmangel? „Ein Mann muss wissen, wer seine Feinde sind!“ Der hl. Ulrich wusste es. Sein Fest nötig uns ein Thema auf, das in der Kirche verpönt ist, das es aber im echten Leben gibt. Streit, Kampf, Feinde: Das gibt es. Ich träume mir die Wirklichkeit nicht weg, sondern frage mich lieber: Wie geht das, christlich streiten? „Feinde“, das sei doch ein überholtes Muster, sagte mir ein Kirchen-Funktionär. Ach ja? Kam Jesus bei einem Fahrradunfall ums Leben oder durch seine Feinde? Sind die Priester, die Kinder schänden, nicht unsere Feinde? Sind Student*innen, die Juden schlagen, nur weil sie Juden sind, nicht unsere Feinde? Mit dem Patron Ihrer Kirche treffen Sie auf einen Mann, der sich geschlagen hat. Der Bischof Ulrich von Augsburg, gestorben am 4. Juli 973, verteidigte seine Leute, sein Land und die Kirche. Ulrich ist der Patron, also der Verteidiger der Reisenden, Wanderer, Fischer, Winzer und der Sterbenden. Er wird angerufen bei schwerer Geburt, gegen Fieber, Körperschwäche, Augenleiden und Überschwemmungen. Allein diese Liste zeigt es Ihnen doch: Wir Menschen haben Gegner aller Art. Warum davor die Augen verschließen? Ich will bei diesem Heiligen lernen, dem Leben ins Gesicht zu blicken und zu bekämpfen, was bekämpft werden muss. Ich lebe heute. Ich wünsche mir keine alte Zeit zurück. Doch ich weiß um die Tradition, um die Wurzeln und die Erinnerungen. Die Geschichte der Kirche zeigt mir, was wichtig ist und was nicht. Das Wissen um die Geschichte macht einen stark. Wer weiß, was wichtig ist, der wird sich nicht verzetteln. Streiten Sie nicht um Blödsinn! Streiten Sie auch nicht, nur weil Sie schlechte Laune haben. Ulrich erkannte, was notwendig war. Mit weitem Blick. Er war ein Krieger. Und ein Politiker. Er war Seelsorger und Missionar, er stand ernst und fromm in den Gottesdiensten, mutig und klar in Machtkämpfen, gütig und umsichtig bei den Armen, gebildet in den Predigten. Ein Hirte, ein Oberer, ein Bischof, den das Volk liebte. Ulrich war ganz. Wer gut und ernsthaft streiten will, der muss ganz sein. Sonst ist er bloß ein plappernder Besserwisser, eine beleidigte Gans oder ein zänkischer Leserbriefschreiber. Christen kämpfen anders als die Leute. Christen können streiten, sie können aber auch verzeihen. Christen widerstehen dem Gegner, aber sie demütigen ihn nicht. Christen können loslassen, sogar eine gute, richtige Idee. Weil sie Gott vertrauen. Christen können befehlen, aber auch gehorchen und dienen. Denn Christus hat gehorcht, gedient und vertraut. Unser Streit hat ein Fundament und einen Rahmen: das Evangelium. Am heutigen Fest spricht das Evangelium von Liebe, von Geboten, von Freude und Hingabe, von Gehorsam und Wissen, schließlich vom Frucht-bringen. Finden Sie das in Ihren Streiten und Streitereien? Hingabe? Gehorsam? Fruchtbarkeit? Wenn Sie so streiten, dann helfen Sie dem Land durch die Krise. Sie geben Europa seine christliche Seele zurück. Das Tagesgebet spricht von einer „Zeit schwerer Not“. Solche Zeiten gibt es. Sind wir schon mittendarin? Kurz davor? Seien Sie aufmerksam! Vielleicht hilft Ihnen dazu, was der deutsche Schriftsteller Thomas Mann in seinem Buch „Der Zauberberg“ über die Zeit vor dem I. Weltkrieg schreibt: „Was lag in der Luft? – Zanksucht. Kriselnde Gereiztheit. Namenlose Gereiztheit. Eine allgemeine Neigung zu giftigem Wortwechsel, zum Wutausbruch, ja zum Handgemenge. Erbitterter Streit, zügelloses Hin-und-Her-Geschrei entsprang alle Tage zwischen einzelnen und ganzen Gruppen.“ Es ist bitter notwendig zu beten. Der hl. Ulrich wurde wohl in Wittislingen geboren. Dort gibt es noch immer das tägliche Ulrichsläuten um 21 Uhr und 2 Uhr in der Nacht, das auf die Ulrichssage zurückgeht. Sie erzählt: Ulrich lebte auf dem väterlichen Schloss. Jeden Morgen ging er ins zwei Stunden entfernte Dillingen in die Schule und kehrte oft erst am späten Abend von dort zurück. Der Weg führte durch ein sumpfiges Ried; weil der Bub sich schon mehrmals verirrt hatte, ließ seine Mutter täglich um neun Uhr abends mit einem Glöcklein läuten, damit er heimfinden könne. An einem nebeligen Herbsttag verlor Ulrich Weg und Steg. Um auf dem weichen, von vielen Wassergräben durchzogenen Boden rascher vorwärts zu kommen, suchte Ulrich nach einer Stütze und riss einen Pfahl aus, der als Grenzmal zwischen zwei Wiesen im Erdboden steckte. Doch wie er sich auch mühte, er fand nicht nach Hause, auch der vertraute Glockenton blieb aus. Es wurde ihm sehr bange. Da vernahm er plötzlich eine innere Stimme, die ihn daran erinnerte, dass der Pflock fremdes Gut war. Ulrich kehrte um, steckte den Grenzpfahl wieder an seinen Ort, – und hörte gleich darauf das Glöcklein und fand sicher heim ins Elternhaus, das er um zwei Uhr früh erreichte. Vater und Mutter hatten in großer Sorge auf ihn gewartet. Da nach Mitternacht niemand das Glöcklein geläutet hatte, konnte es nur Gottes Stimme gewesen sein, die dem Knaben den richtigen Weg wies. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt zum Patrozinium am 04. Juli 2024 in RettersheimEINLEITUNG DER FÜRBITTEN
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