Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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29. April – Vierter Sonntag der Osterzeit

29/04/2023 


Die Predigt zum Anhören

Vierter Sonntag der Osterzeit (Apg 2,14a.36-41; 1 Petr 2,20b-25; Joh 10,1-10)
Predigt in Rothenfels am 29. April 2023

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber.“ Krass. (Früher hätte man gesagt: starker Tobak). Wen meint Jesus mit „Dieben und Räubern“? Die Propheten, die Patriarchen, die Priester? Die waren doch vor ihm.

Meint er also die Juden? Löst er sich hier von seinem Volk los?

Die schlauen Leute haben die Antwort: Das ist doch nicht Jesus, der das sagt. Das ist der Evangelist Johannes, der alten Juden-Feind. Der legt das Jesus in den Mund. Also könnte ihr dieses happige Wort vergessen.

Da steht die Meinung in der Luft: Das Evangelium sagt allerhand über die frühe Kirche, aber kaum etwas über den echten Jesus. Der wahre Jesus war ganz anders. Der wahre Jesus hätte, so sagen die Leute, Frauen zu Priesterinnen geweiht. So aber kamen die alten Männer und verdrängten die Frauen. An dieser Stelle treten dann übrigens noch schlauere Leute auf und sagen: „Falls Jesus überhaupt ein Priestertum gewollt hat…!“ Tja.

Wo ist der wahre Jesus? Wenn er nicht in den Evangelien ist, auch nicht bei Paulus und ganz sicher nicht in der Tradition und der Geschichte der katholischen Kirche, wo ist er dann? Wie war Jesus wirklich? Es ist unmöglich, das zu beantworten. Jedenfalls nicht abschließend, ein für alle Mal. Und so wird der wahre Jesus für viele Zeitgenossen eine so nebulöse Gestalt, dass er außer in ein paar liturgischen Formeln keine Rolle mehr spielt. Abschied von Jesus Christus. – Sie merken das daran, dass, wer sich auf Jesus beruft, wahlweise als altbacken, naiv, frömmelnd oder fundamentalistisch gilt. Reizt es Sie dennoch, sich auf diesen rätselhaften Jesus Christus einzulassen?

Wenn Christus erst einmal vergessen ist, was nimmt dann seinen Platz ein? Die Werte. Die christlichen Werte. Von denen ich nicht viel halte. Werte erlösen mich nicht. Werte blicken uns nicht an. Christus schon.

„Christliche Werte“, das ist etwas für Partei-Tage. Aber für die Kirche? Was verkündet die Kirche? Christus? Das Reich Gottes? Oder „Werte“? Zu was erziehen Sie Ihre Kinder? Zu Werte-Bürger*innen oder zu Christen? Die ersten Christen hatten ein gemeinsames Fundament: den Auferstanden. Sie hatten eine Beziehung mit ihm. Daraus ergeben sich dann Werte, Kulturen, Epochen, Gesellschaften, Pipapo. Ein Kirchen-Gebäude ist ein Kultur-Wert. Ort des Heiligen Geistes aber sind Sie, die Getauften. Weil Sie in Ihrer Taufe innerlich, vital mit Christus verbunden wurden (steht in der ersten Lesung.)

In allen drei Texten dieses Sonntags geht es um eine Person, nicht um abstrakte Werte. Sind also die Menschenrechte, ist die Gleichberechtigung wichtiger als Jesus Christus? Ich finde das eine gute Frage. Wohlgemerkt: eine Frage. Ich habe keine klare Antwort. Aber ich denke nach.

„Christus, der Herr“ – heute eine leere Formel. „Jesus, der gute Hirt“ – heute ein Kitsch-Bild. Statt Jesus Werte: Nächstenliebe, Frieden, Gerechtigkeit. Seltsamerweise immer Werte, die uns taugen, nie solche, die uns verstören. Jesus hat gelitten. Aber das Leiden ist für uns kein Wert. Es ist nur eine dumme Qual. Wirklich? – Jeder, der auch nur ein wenig Ahnung von der Geschichte hat, weiß, dass sich mit Werten alles begründen lässt: die Menschenrechte, Brüderlichkeit, Gleichheit – und der Terror. Siehe Frankreich 1793, siehe Russland 1918. Schon deswegen will ich einer Person folgen. Und nicht Werte behaupten. 

Christus also. Ich erschrecke immer wieder, wenn ich höre, was Er sagt. Und so ist es gut. Es ist gut, dass wir den wahren Jesus nur ahnen können. Denn das bewahrt uns davor, ihn zu instrumentalisieren. Aus Jesus von Nazareth lässt sich keine Ideologie machen. Denn er lebt.

Sehen Sie, jeder Depp kann rufen: „Aug‘ um Auge, Zahn um Zahn, Gott will die Todesstrafe!“ Aber wer traut sich zu sagen: Jesus will die Todesstrafe?

„Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber.“ Das geht natürlich nicht gegen die Propheten des Alten Testamentes. Das geht gegen jeden, der sich am Eigentum Gottes, an seinen „Schafen“ vergreift. Was tut ein Vater, der seinem Sohn den Glauben ausredet, anderes. „Religion ist nichts für Männer!“ Dieser Vater nimmt Gott einen Menschen weg. Was tut ein Priester, der sich ein Kind greift? Er ist, neben vielem anderen, ein Dieb und ein Räuber an Gott.

Christus behauptet in diesem Evangelium eine unerhörte Stellung. Er ist der gute Hirt. Er allein. Er ist die Tür. „Wer durch mich eintritt, wird gerettet werden.“ Kein anderer Zugang. Verstörend, nicht wahr?

In den Evangelien finden Sie einen Mann, der streitet und heilt, der liebt, der weint, der zürnt, der einsam ist und bei den Menschen steht, der Jünger*innen sammelt (aber nach welchen Maßstäben?), der eine Gemeinschaft, eine Kirche also begründet (aber wie genau soll die aussehen?), einen Mann, der leidet, der sich hingibt, der uns die Eucharistie hinterlässt und die Botschaft von der Auferstehung. Der uns viele Fragen hinterlässt – und den Heiligen Geist.

Und so versuche ich, das Evangelium zu studieren mit den Mitteln des Verstandes und mich gleichzeitig „mitten ins Herz“ treffen zu lassen. Ich muss also denken und mein Herz hinhalten. Orientieren kann ich mich an den Heiligen, an den Kirchenlehrer*innen und am Glaubenssinn der Getauften: an der wahren Kirche, die mir Mut macht, dem verstörenden Christus zu folgen.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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