6. Sonntag im Jahreskreis – Predigt in Rettersheim
6. Sonntag im Jahreskreis – Predigt in Rettersheim Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Nach vielen Jahren als Pfarrer und Rektor in Österreich lebe ich nun als Ruhestandspriester drunten in Marktheidenfeld. Die hiesigen Pfarrer schicken mich als Aushilfe in die Dörfer am Main und im Spessart. So geschieht es immer wieder, dass ich in ein Dorf komme, dessen Menschen ich noch nicht kenne – und ihnen schlechte Nachricht bringe. „Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein. Wer aber zu ihm sagt: Du Depp!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein. Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat schon Ehebruch begangen. Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus!“ Und so weiter. Diese Nachrichten will niemand hören. Was geht das: Diese geheimnisvolle Kirche, die den Menschen seit 2000 Jahren solche Worte sagt, und die Menschen haben diese Kirche noch immer nicht fortgejagt? Klar, gibt es Austritte, Kirchen-Feinde, Gleichgültige, aber trotzdem sind die Kirche und die Menschen noch immer zusammen. Ist es, weil die Kirche das Schöne mitbringt, die Musik, die Bauwerke (wie hier in Rettersheim)? Ist es, weil die Kirche Gutes tut, von Kindergärten bis Caritas? Ich bin sicher, da ist mehr. Die Menschen hören die Worte Jesu, sie erschrecken, sie lieben sie nicht, aber sie wissen: Das ist die Wahrheit. Was Jesus sagt, stimmt. Wir, wir lügen. Alle. Oder ist hier einer, der noch nie im Leben gelogen hat? Die Kirchenleute lügen, die Medien, die Politiker, sogar Naturwissenschaftler lügen… Aber dieser eine, Jesus aus Nazareth, der lügt nicht. Man kann es natürlich so machen: gar nicht erst zuhören. Hat man seine Ruhe. Oder sagen: was ein Quatsch! und wieder aufs Handy glotzen. Wenn man aber wirklich hinhört, gerät man ins Schleudern. Es ist wahr, was Er sagt, aber wie, um Himmels willen, soll man dieses Evangelium leben? „Jesus stellt keine Bedingungen, er liebt uns, so wie wir sind.“ Das ist das neue Dogma, an das alle glauben. Klingt gut. „So wie wir sind.“ Aber wie sind wir denn? Ist hier auch nur einer, der noch nie zu einem anderen gesagt hätte: Du Depp! Wer hier hätte noch nicht gesehen und begehrt, leidenschaftlich? Wer hier wüsste nicht, dass die Augen uns verwirren können bis hin zu Sünde: Das muss ich haben! Deshalb mussten die Priester früher mit gesenktem Blick auf der Straße gehen… So sind wir. So ist die Welt. Was will Jesus in diesem Evangelium? Ich sage es Ihnen: eine neue Welt. Wäre Jesus eine Band aus Köln, würde er singen, für jeden hier: „Bitte bleib, bitte bleib, bitte bleib nicht wie du bist!“ Die Welt wäre besser, wenn wir einander nicht beschimpfen würden, oder? Wenn wir einander nicht verachten würden. Die Welt wäre besser, wenn Frauen ihre Männer nicht betrügen würden und die Männer nicht ins Bordell gingen nach dem anstrengenden Marketing-Seminar, „weil die anderen ja auch gehen“, diese Spackos. Die Welt wäre besser, wenn die Jungs die Mädchen achten würden. Wenn die Mädchen sich nicht wegwerfen würden, weil sie Angst haben, nicht beliebt zu sein. Die Welt wäre besser, wenn die Priester keusch leben würden und trotzdem etwas vom echten Leben verstanden hätten. Die Welt wäre besser, wenn wir gar nicht erst versprechen, vorsorgen, nachprüfen, schwören müssten; wenn das alles unnötig wäre, weil wir einander einfach vertrauen können. Was also tun? Frustriert heimgehen? Angst haben vor der Strafe Gottes? „Das Evangelium ist keine Drohbotschaft.“ Das andere große Dogma der modernen Kirche. Hm. Droht Jesus hier nicht mit der Hölle? Schon. Aber das Schwergewicht seiner Rede liegt ganz bestimmt nicht auf Angst und Strafe. Es geht um einen Tritt in den Hintern. Um was Neues. Um Umkehr. Umkehr heißt: es anders machen. Anfangen, es anders zu machen. Und Sie wissen: Wer es anders macht, wird gelegentlich als Depp dastehen. Macht nichts. Es anders machen. Man kann auch sagen: Mehr machen. Jesus will, dass wir mehr machen als nur das Vorgeschriebene. Stresst Sie das? “Ich bin schon jetzt am Ende meiner Kraft, und da will der, dass ich noch mehr mache?!“ Denken Sie so? Meinen Sie ernstlich, Jesus will uns stressen? Jesus will, dass wir uns nicht mit Vorschriften aufhalten wie die pseudo-frommen Leute, sondern großzügig sind. Sie können das! Wer nicht nur eine alte Begonie auf den Altar stellt, sondern die ganze Kirche liebevoll ziert, der weiß, was das ist: mehr. Wer nicht nur die platte Melodie spielt, sondern Oberstimme und Unterstimme, Einleitung und festlichen Schluss, der weiß den Unterschied zwischen mehr und dürftig. Sie können sagen: Mein Auto fährt, passt schon. Aber Sie wissen: Ein wirklich tolles Auto ist mehr. Sie können ihren Kindern was zu Essen hinstellen und ihnen ein Smartphone. kaufen Sie können ihnen aber auch erzählen, ihnen zuhören. Das ist mehr. Sie leben doch großzügig in vielen Dingen. Nur halt nicht großzügig mit Gott. Ich (um von mir zu reden) bin sparsam mit Gott. Ohne recht zu wissen warum. Weil ich müde bin. Oder traurig. Oder faul. Oder boshaft. Oder kleingläubig. Kennen Sie das auch? Und deshalb bin ich froh um ein Evangelium wie dieses. Was will es? Nicht mehr Leistung, nein. Mehr Herz. Ich weiß, wie ich bin, aber da ist auch die Hoffnung, ich könne anders sein. So lange es Menschen gibt, die noch irgendeine Hoffnung haben, werden sie dieses Evangelium hören und unruhig werden. Unruhig und hoffnungsvoll. Guter Weg. FÜRBITTEN Zelebrant: Zum guten Beten braucht es Stille. Deshalb meine Bitte an Sie: Halten wir heute nach jeder Fürbitte einen Moment Stille. Lektor*in: „Gottes Willen zu tun ist Treue.“ „Vor dem Menschen liegen Leben und Tod, was immer ihm gefällt, wird ihm gegeben.“ „Wie verkündigen, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat: was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ „Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes.“ Wir beten für alle, die chronische Schmerzen haben: dass sie nicht irre werden. – Stille Zelebrant: Um alles beten wir durch Christus unseren Herrn. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Wir beten um Treue zu Gott. – Stille
Wir beten für die Kommunionkinder. – Stille
Wir beten um die richtigen Entscheidungen. – Stille
Wir beten für die Politiker. – Stille
Wir beten für alle Pfarrgemeinderätinnen und -räte. – Stille
Wir beten um heilige Priester. – Stille
Wir beten für alle, die in dieser Woche auf den Autobahnen unterwegs sein werden. – Stille
Wir beten für die Paare, die sich streiten: um Versöhnung. – Stille
Wir beten für unsere toten Vorfahren.