Montag der 23. Woche im Jahreskreis, 5. September 2022
Montag der 23. Woche im Jahreskreis, 5. September 2022 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Die blutflüssige Frau. Der Mann mit der verdorrten Hand. Die krumme Frau. Der Schächer. In meiner Heimat, droben im Wald, da war das Schächerloch. Als ich ein kleiner Bub war, waren es diese Namen – oder Titel – die mich aufhorchen ließen. Der Rest des Evangeliums, die „Lehre“, die ging am Kind vorbei. Doch diese Namen beschäftigten mich. Beim Spielen. Oder nachts. In den Momenten vielleicht, wo der kleine Mensch in den Schlaf hinübersinkt und von ferne noch einmal hört: „die Pforten der Hölle.“ Oder: „Er wurde vor ihren Augen verklärt“. Ich denke, so beginnt die Liebe zu unserem Glauben und zum Evangelium: mit den Namen und Worten. Ich wusste damals nicht, was alle diese Namen bedeuteten. Was waren das für geheimnisvolle Menschen? Die blutflüssige Frau, die verkrümmte Frau? Oder der tote Jüngling in Nain. Und der Mann mit der verdorrten Hand. Ich wusste es nicht, aber keine Sekunde wäre es mir in den Sinn gekommen, auf diese armen Menschen herabzusehen. Obgleich wir das durchaus konnten, schon als Kinder, auf andere herabsehen. Auf die anderen Kinder zum Beispiel, die in den Gassen wohnten und Rotznasen hatten. Damals war das so. Und so steht der Mann mit der verdorrten Hand noch immer da… Die Menschen aus den Evangelien gehen nicht fort. „Der arme Mann“, denken die Leute. Haben die Leute Recht? Ja und Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jesus, als er den Mann gewahrte, sich dachte: der arme Kerl. Was sieht Gott, wenn einer von uns da steht? Gott sieht die Majestät des Geschöpfes. Er hat es gemacht. Jeden, der atmet. Wir, wir sagen: der arme Kerl, die arme Frau. Wir, wir fangen Streit an und sind gespannt, wie es ausgehen wird. „Sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn.“ Wir treiben uns herum in den Gedanken und Absichten. Weil uns fad ist, letztlich. Gott ist nicht fad, Gott muss nichts klären. Die Schriftgelehrten müssen etwas klären. Oder die Journalisten. Oder die Nachbarn. Die müssen klären, wer du bist, wieviel du verdienst, ob du Recht hast oder sie. Solche Sachen. Jesus muss das nicht. Aber der streitet doch auch herum! Wirklich, streitet er herum? Jesus steht vor uns, er spricht mit uns, aber meinen Sie wirklich, Jesus habe einen Plan? Eine Strategie? Er bittet die Menschen um nichts. Er muss sich auch nicht herablassen, um mit den Menschen zu sprechen. Er ist nicht unten und nicht oben. Er ist einfach. Wer diese Souveränität spürt, ist für immer von Jesus fasziniert. Sie wissen, woher diese Souveränität kommt? Gott wurde Mensch, in Jesus. Keine Strategie, keine Bitte, kein Stolz. Oder wollten Sie wirklich sagen: Gott ist stolz? Das geht nicht. Gott ist einfach. So ist Jesus. Und der Mann in der Mitte? Mit dem Mann in der Mitte ist alles klar. So möchte ich auch vor Gott stehen. In der Mitte, mit meiner verdorrten Hand oder meinem krummen Rücken, mit meinem miesen Charakter… Angeschlagen, arm, wenn Sie unbedingt wollen, aber gerade. Angesehen. Das ist es, was uns aufrichtet: wenn einer uns ansieht. Merken Sie nicht, wie etwas Königliches strömt in den armen Mann mit der verdorrten Hand? Wie er immer gerader wird, immer aufrechter vor all den Schriftgelehrten und Leuten? In diesem Evangelium gibt es so viele Ebenen, Beziehungen, Interessen, aber letztlich stehen da doch nur zwei: der Mann, dessen rechte Hand verdorrt war und Jesus. Der Einzelne und Jesus. „Und er sah sie alle der Reihe nach an…“ Auch den Mann mit der verdorrten Hand. „Alle, der Reihe nach.“ Jeden Einzelnen. Jesus sieht keine Gruppe, keine Menge; Jesus sieht keine Schicht, keine Nation, kein Geschlecht… Er sieht die Kirche. Aber die ist keine Gruppe. Sie ist sein Leib. Die Kirche ist der geheimnisvolle, geistvolle Leib Christi. Zu diesem Leib gehören sie alle: die blutflüssige Frau, der stürmische Apostel Petrus, die Frau, die Jesus aufrichtet, das Kind, das gar nicht tot ist. „Sie schläft nur“, sagt Jesus. „Da lachten sie ihn aus.“ Und der Mann mit der verdorrten Hand. Auch er gehört zum Leib Christi, zur Kirche. Was tut der Mann da? Er dient. Er hat eine Aufgabe. Welche? Ein Beweis zu werden. Ein Bild für alle Zeiten. Ahnen Sie jetzt, dass die Krankheit eine Aufgabe sein kann? Den Mann mit der verdorrten Hand ist kein Opfer. Er ist ein Geschöpf Gottes, er ist der Angeblickte, er hat eine Welt-Aufgabe. Was wollen Sie mehr vom Leben? FÜRBITTEN Wir beten… Für die, die einen Grund zur Anklage suchen Für die, die vom Leben plötzlich in die Mitte gestellt werden Für die, die von sinnloser Wut erfüllt sind Für die, die leiden „Christus ist unter euch“, heißt es in der Lesung. Wir beten… um den Glauben Wir beten für die, die alt werden. Da ist „die Hoffnung auf Herrlichkeit“, heißt es weiter. Wir beten um Hoffnung. Wir beten für die Kinder. „Sie sollen in der Liebe zusammenhalten.“ Für die Familien, die Freundschaften, die Gemeinden, die Völker. Wir beten für den Souveränen Malteser-Ritter-Orden. Für die Besucher und Wohltäter dieser Kirche. Für die Musikerinnen und Musiker. Wir beten für unsere Toten. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören