Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Fest des hl. Johannes Bosco, 31. Jänner 2022

31/01/2022 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Ein Priester und verwahrloste Buben. Das war mal ein schönes Thema irgendwo zwischen Spencer Tracy und dem hl. Don Bosco. Sie erinnern sich an den Film „Teufelskerle“, wo Tracey einen Priester spielt, der Jugendliche auf den rechten Weg bringt und Sie wissen, dass wir heute den hl. Giovanni Bosco feiern. Den präsentiert man uns am liebsten als den humorvollen Heiligen. „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen!“, an diesem Motto sei er zu erkennen. Die sehr ernsten Heiligen versteckt die Li-la-gute-Laune-Kirche ja lieber…

Inzwischen hilft der Hinweis auf den Humor eines Priesters nicht mehr; wenn man hört „Priester und Buben“, steht der Verdacht im Raum. Die Krise ist so heftig, dass nicht nur die Priester unter Verdacht stehen, sondern auch die Heiligen, ganz von selbst. Denn der Verdacht kitzelt schöner als die nüchterne Prüfung der Sachlage.

A propos Don Bosco. Merken Sie auch, dass der erste Bezirk sich verändert? Am Abend sehen Sie jetzt draußen auf der Kärntnerstraße und vor dem Stephansdom nur noch ganz junge Leute. Fast alle haben dunkle Haare. Sie sind ungewohnt. Aber sie tun nichts. Sie wollen wirklich nur spielen. Keine Ahnung, ob sie verwahrlost sind. Hätte Giovanni Bosco sich um die gekümmert? Denn wer bräuchte keinen, der sich um ihn kümmert? Sollen wir es also machen wie der hl. Don Bosco?

Ich bin sicher: Übertragungen funktionieren nicht, Restaurationen schon gar nicht. Man kann nicht nachmachen und schon gar nicht wiederherstellen. Die Vergangenheit ist uns verschlossen, wir können sie nicht einfach hervorholen und wieder einsetzen. Im privaten Leben nicht, in der Gesellschaft nicht, in der Kirche nicht.

Wir müssen ein eigenes Leben finden. Das ist doch das Genie der Kirche, dass sie das kann!

Don Bosco muss ein großer Kämpfer gewesen sein, einer, der sich durchbeißen konnte, – ohne darüber hart zu werden. Er stammte aus ärmsten Verhältnissen; sein Weg zum Priestertum war schwer. Als er sich dann in den 60er-, 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts in Turin der verwahrlosten Jugendlichen annahm, begegneten ihm größte Widerstände. Die übliche Mischung: die „Leute“, die Kirche, die Behörden… Er hat sie alle besiegt, mit Zuversicht, Herzlichkeit und Heiligkeit. In die Welt der Jugendlichen konnte er sich einfühlen. Er konnte für diese Buben, die auf der Welt nur Komplizen oder Ausbeuter kannten, ein Vater werden.

Giovanni Bosco lebte in einer Welt, wie sie Jesus nicht kannte; er hatte einen Charakter und Fähigkeiten, die anders waren als die Jesu. Er hat Jesus nicht nachgemacht und er hat weder das Urchristentum wiederhergestellt noch die Kirche des Mittelalters. Beides waren große Versuchungen in der Kirche des 19. Jahrhunderts. Don Bosco ging einen eigenen Weg, in Gemeinschaft mit Christus.

Der Heilige hat gesehen, was ist. Etwa dass die Familien sich genauso auflösten wie die kleinen Handwerksbetriebe. Beide waren ein Halt für Kinder und Jugendliche gewesen. Plötzlich gab es in den Großstädten Scharen von allein gelassenen jungen Leuten. Heute gibt es die wieder. Don Bosco hat sie gesehen. Das ist schon viel, unter uns Menschen…

Die Kirche lebt, weil sie hinsieht und reagiert. Sie lässt sich nicht von Erinnerungen beherrschen, nicht von guten, nicht von schlechten. Was wir derzeit eben erleben, wird uns nicht aufhalten! Wichtiger als Erinnerungen und Ideale ist die „Gemeinschaft mit Christus“ (Paulus). Diese Gemeinschaft mit Christus haben wir im Evangelium, im Gebet, in den Sakramenten. Von da aus weiß die Kirche, was zu tun ist.

Giovanni Bosco konnte seiltanzen und Zaubertricks und war bärenstark. Sein Charme und seine Herzlichkeit müssen unwiderstehlich gewesen sein. Jesus konnte nicht seiltanzen und kein Eisen biegen. Jedenfalls sagen die Evangelien nichts davon. Muss aber ein Mensch, der diesem Jesus nachfolgen will, nicht werden wie er war? Nein, eben nicht. Genau das ist das Geheimnis der Berufung und damit der Kirche: Die Heiligen folgen Jesus nach und bleiben doch eigene Persönlichkeiten; sie werden keine Kopien.

Die Kirche ist der mystische Leib des Auferstandenen. Der auferstandene Herr hat einen Leib, der weit reicht. Der uns alle umfasst. Frauen und Männer, alle Jahrhunderte, alle Nationen, alle Arten, alle Alter. Die Kirche ist Fülle.

Sie ist also Schuld, aber nicht nur. Sie ist Schuldbekenntnis (wieso auch nicht, wenn es doch wahr ist?), aber sie ist auch Lehre, Mahnung, Schönheit… Wir werden nicht los, was geschehen ist in der Geschichte der Kirche. Wir werden die Konsequenzen tragen müssen; alle, denn so ist das in einer Gemeinschaft. Und die Konsequenzen können hart werden. Aber wir werden uns nicht einsperren lassen in dem, was geschehen ist. Denn wir können mehr.

„In jener Stunde kamen die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist im Himmelreich der Größte?“ Und Jesus antwortet auf ihre Frage! Er tut sie nicht ab, weil sie ihm nicht heilig genug ist. Aber er antwortet nicht so, wie sie es erwartet hatten. „Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte…“ Das muss auch das Geheimnis der Seelsorge Don Boscos gewesen sein. Er nahm die Jugendlichen ernst – und zeigte ihnen, was sie nicht kannten. Das Neue, Bessere. Der Heilige unterdrückt nicht, er löscht nicht aus, er verwandelt. Das ist der Weg der Fülle. Vieles, vieles darf sein, alles aber muss erhoben werden. Die Kirche kann Menschen verwandeln.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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