Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Montag der 5. Woche im Jahreskreis (Gen 1,1-19), 8. Februar 2021

08/02/2021 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Sehr oft geschieht es nicht. Zwei, drei Mal im Lauf des Jahres. Heute. Ich begegne den ersten Worten der Heiligen Schrift, dem „Schöpfungsbericht“. Ich höre diese Worte und bin glücklich. Dankbar. „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Bei diesen Worten werde ich ruhig.

Und Sie? Haben Sie einen Anfang? Haben Sie ein Ziel? Haben Sie einen Raum oder werden Sie bloß getrieben? Irgendwohin? Von welchen Mächten? Wo ist Ihr Platz, wissen Sie das noch? Ich stelle Ihnen diese Fragen gerade jetzt, wo keiner weiß, wohin es mit diesem Jahr gehen wird. Laufen wir Kreis? Zurück? Wird das Land auf der Stelle treten? Blind oder handelnd? Was entscheiden wir? Vielleicht merken Sie an diesen Fragen, wie groß Ihre Sehnsucht nach einem Raum ist: einem Bereich mit Anfang und Ende, mit einem Sinn und einer Ordnung. Sie spüren diese Sehnsucht und wissen längst, dass Sie solchen Raum nicht machen können. Wenn Menschen sich zusammentun, um Ordnung zu schaffen, wird es grausam. Der Schöpfungsbericht gibt mir eine Ordnung und einen Raum: die Welt. Ich muss sie nicht machen. Vielleicht rührt meine tiefe Dankbarkeit für die Worte der Heiligen Schrift daher: Die Erzählung von der Erschaffung der Welt gibt meinem Leben Ruhe. Einen Platz.

Ich sage mit Bedacht „Erzählung“; noch lieber würde ich sagen „Gedicht“ oder „Lied“. Der Schöpfungsbericht ist näher an einem großen feierlichen Lied als an der Geschichtsschreibung. Die Erzählung von der Erschaffung der Welt ist kein geschichtlicher Tatsachenbericht. Schon gar keine Reportage. Wie auch? Es war ja niemand dabei. Kein Mensch war dabei, als all das geschah. Es gibt keine Zeugen, wie sie sich ein Journalist oder eine Polizistin vorstellen.

Ja, aber die Bibel ist doch inspiriert von Gott! Alles darin ist wahr! – Ja, die Wahrheit ist inspiriert von Gott, aber sie wird von Menschen gehört und von Menschen aufgeschrieben. Göttliche Wahrheit in menschlichen Worten. Worte aber sind Grenzen. Haben Sie noch nie nach dem richtigen Wort gesucht, um etwas zu beschreiben und dabei gespürt, dass es in vielen Fällen dieses eine richtige Wort gar nicht gibt? Haben Sie nie versucht, Ihre Liebe in Worte zu fassen und sind dabei gescheitert? Worte sind begrenzt, deswegen kann die göttliche Wahrheit nie vollständig in menschlichen Worten sein.

Als der sogenannte Schöpfungsbericht aufgeschrieben wurde, geschah das durch ganz konkrete Menschen. Sie waren keine willenlosen Schreibfedern, die einem göttlichen Diktat gehorchten, sondern Menschen mit eigenen Erfahrungen, mit eigenen Worten, mit einer bestimmten Kultur. Sie stellten sich den Himmel oben und die Erde unten vor und lebten im Rhythmus von sieben Tagen. Das floss in ihren Text ein.

Aber ist eine Reportage im „Standard“ wahr und ein Gedicht Rilkes unwahr? Haben nur Journalisten und Naturwissenschaftler die Wahrheit und alle anderen Irrtum und Märchen? Ist, was ein Kind am Abend dem Vater erzählt, nicht wahr? Dass alles in der Bibel wortwörtlich wahr sei, diese Behauptung kann jeder Volksschüler entkräften. Er soll die vier Evangelien neben einander legen und vergleichen. Hundert Widersprüche! Lügen also die Evangelien über Jesus, oder ist die Wahrheit einfach über der Grammatik und dem Vokabular? Wenn jeder Satz in der Bibel wortwörtlich von Gott selbst diktiert ist und gerade so vom Himmel fiel, dann gelten auch die Rechtsvorschriften der Bibel ewig, oder? Zum Beispiel diese aus dem Buch Levitikus: „Zeigt sich bei einem Mann oder bei einer Frau an Kopf oder Kinn eine kranke Stelle, soll der Priester sie untersuchen.“ Gibt es Fundamentalisten, die sich daran halten?

„Es wurde Abend, und es wurde Morgen.“ Wunderschön. Die Ordnung der Welt. Immer gleich. Majestätisch. Nicht nach unserem Gutdünken. Aber jeder weiß, dass es hier nicht um Zahlen, nicht um Stunden und Minuten und Glockenschläge geht. Es geht darum, uns zu sagen: Diese Welt ist geordnet, sie ist sinnvoll. Schön. „Gott sah, dass es gut war.“ Das war der Raum, in dem wir antreten sollten. Das war unser Anfang: gut.

In diesem weiten Horizont erst stellt sich der Frage der Schuld. Sonst entscheidet die Willkür, die wir jetzt erleben. Heute ist es Schuld zu rauchen, aber keine Schuld, ein ungeborenes Kind zu töten. Menschen zu diskriminieren ist immer und überall eine Schuld, sogar in der Vergangenheit, aber Gott zu leugnen, das Geschmackssache.

Die Worte der Heiligen Schrift setzen der Willkür und dem Irrsinn eine Ordnung entgegen. Eine Wahrheit, die Sie nie vergessen sollen: Der Anfang ist gut. Auch meine allerersten Anfänge sind gut. Sie treiben nicht blind irgendwohin, sondern leben in einem Raum, den Gott gemacht hat. „Und Gott sah, dass es gut war.“ Gott sieht uns.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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