Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Zweiter Adventsonntag, 6. Dezember 2020 – Der Sprung

06/12/2020 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Hl. Geistes

Die Rede Gottes und das Schweigen Gottes. Die Zeit Gottes. Die Welt Gottes. „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn.“ – Nur vier Mal nennt Markus Jesus „Gottes Sohn“: gleich im ersten Satz seines Buches, dann bei der Taufe am Jordan, bei der Verklärung auf der Berg Tabor und schließlich am Kreuz. Der römische Hauptmann schaut hinauf, überwältigt vom Geschehen, und ruft: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“ Das ist der große Sprung. Vier Momente, die den Sprung markieren. Auch als Johannes sagt: „Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen“, geschieht ein Sprung. „Ich… er aber.“ Dazwischen liegt ein ungeheurer Raum, eine Welt. In dem Moment, wo der Unterschied klar wird, wo einer erkennt, dass da zwei verschiedene sind – „ich – er aber“ –, in diesem Moment öffnet sich das Tor. Der weite Sprung hinaus wird möglich. Wenn dieser Moment aber nicht kommt, bleibt alles geschlossen. Sie sind also fähig zu öffnen und fähig verschlossen zu halten. Es liegt an Ihnen. Hier, in dieser Kirche ist eine immense Bewegung hinaus, ins Offene, in Gott hinein. Dort draußen, wo alles läuft und rennt, da ist in Wahrheit Stillstand. Hier, an diesem Ort, den die meisten für das Abgeschlossene und Abgeschottete schlechthin halten, hier ist alles offen. Eingeengt sind Sie da draußen, hier sind Sie frei.

Die Gefahr der aktuellen Krise ist die Geschlossenheit. Wer nur noch daran denkt, sich zu schützen, vor Ansteckung oder was immer, wer Angst und Vorsicht zu den alleinigen Führern macht, der schließt. Die Frage „Wann wird es vorbei sein?“, öffnet ja nicht. Sie hockt bloß da. Oder finden Sie, die Menschen seien offener geworden in den letzten Monaten? Gewiss nicht.

Jetzt wird vollends deutlich, was sich längst angekündigt hatte: Diese Welt, die nach allen Seiten offen zu stehen scheint, modern, liberal, pluralistisch, ist in Wahrheit zu. Es ist eine geschlossene Welt. Es lässt sich heute mit allem Geld verdienen, beim Sex ist alles möglich, alle Formen von Beziehung sind denkbar, alles darf gesagt werden. Nur Gott und seine Kirche: Das geht gar nicht. Menschen aber, die nicht einmal die Möglichkeit des Glaubens einräumen, sind zu. Aufgelassene Bahnhöfe ohne Zug und ohne Reisende.

Wir hier sind die Offenen. Denn wir warten. Auf Gott: das große Rätsel und den großen Vertrauten. Gott, das Gesetz und die Freiheit. Gott, die Last, aber auch die Leichtigkeit. Advent-Warten meint nicht dasitzen und zusehen, was geschieht. Es meint sich ausstrecken. Nicht hocken, sondern stehen; nicht sacken, sondern im Sprung sein: „Nach mir kommt einer…“ Spüren Sie die ungeheure Spannung des Täufers?

Gott kann man nicht anders finden als durch den Sprung. Nur wer sich ausstreckt. Sie können nicht bei sich selbst sitzen bleiben, auf ihrem Lebenssofa und erwarten, so Gott zu finden. Warum nicht? Weil Gott anders ist als diese Welt. Erinnern Sie sich an die Überraschung des Johannes, als Jesus sich von ihm taufen lassen wollte? In diesem Moment merkt Johannes: Gott ist anders. Bei Gott sind „ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag“. Wie ist der Gott, von dem es heißt (in der ersten Lesung): „An seiner Brust nährt er sie“? Ist das ein zärtlicher Gott? Ein weiblicher Gott? Plötzlich wird das denkbar. Was ist das für ein Gott, der schweigt? Jahrzehnte lang schweigt Gott und scheint die Menschen vergessen zu haben, die aus ihrer Welt vertrieben wurden. Das ist die Geschichte des babylonischen Exils. Eine lange, drückende Stille, – und dann plötzlich spricht Gott wieder. Die Stimme verkündet Unglaubliches: Der Weg zurück in die Heimat wird geebnet. „Das Krumme werde gerade, das Hügelige zur Ebene! (Is 40).“

Da ist also ein Weg. Man muss nur aufstehen. Der erste Schritt. Und dann der Sprung in den Unterschied, in das Rätsel. Angst? – „Tröstet! Tröstet mein Volk!“, sagt Gott den Propheten. Und wie? Was ist der Trost? Der wahre Trost ist Gott selbst, nicht Maßnahmen und Impfstoffe. Gott tröstet. Aber auf göttliche Weise.

Und was, wenn wir sitzen bleiben? Dann geschieht eben nichts. Man kann viel erleben, viel Geld verdienen, eine Familie haben; man kann eine ganze Menge. Alles das hat seinen Wert. Aber dann? Wer schuftet und hortet: Geld, Leistungen, Bekannte, Reisen…, der bleibt innen drin leer.

Immerhin vermeidet man so das Risiko des Glaubens, oder? So denken die Leute ja: Wer sich wirklich auf den Glauben einlässt, der gibt seine Freiheit auf. Dem knallt ein ganzes Paket mit Forderungen an den Kopf. Ich verstehe, dass man so denkt. Es braucht wirklich Zeit, bis du verstanden hast: Der Glaube, das ist ein Schritt um den anderen. Der Glaube ist nicht, er wird. Der Glaube ist kein Felsbrocken, sondern eine Geschichte. Und eigentlich lieben wir Menschen Geschichten, seien sie auch schwer oder traurig. Wir wollen alle eine Geschichte erleben, von der wir erzählen können. Denken Sie über die von Johannes und Jesus nach: Da rasen nicht zwei auf einander zu, sondern sie begegnen sich. Da zerdrückt der Stärkere nicht den Schwächeren, sondern gibt ihm eine Aufgabe. Eine große Aufgabe. Der Glaube nimmt weder die Freiheit noch die selbstständige Tat. Der Glaube ist Regel, Form, Dogma, Katechismus – und gleichzeitig (gleichzeitig!) ist der Glaube Christus, Offenheit, Heiliger Geist.

FÜRBITTEN

Wir loben die Geduld Gottes – Ich preise Gott.
Wir loben die Macht Gottes – Ich preise Gott.
Wir loben das Schweigen Gottes – Ich preise Gott.
Wir loben die Zärtlichkeit Gottes – Ich preise Gott.

Wir beten…
Für alle, die Angst haben in dieser Zeit – Ich bete.
Für alle, die sich auf Weihnachten nicht freuen können – Ich bete.
Für die Kranken – Ich bete.
Für die Politiker und die Wissenschaftler – Ich bete.
Für die Kinder, die sich auf den Advent freuen– Ich bete.
Für alle Getauften – Ich bete.

Um Menschen, die andere trösten können – Ich bete.
Um das richtige Wort im rechten Moment – Ich bete.
Um Hoffnung, Fantasie und Mut– Ich bete.
Um Gottes-Boten– Ich bete. 

Wir danken für diesen Moment. – Ich danke Gott.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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