Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Fest der hl. Theresia von Avila, 15. Oktober 2018

15/10/2018 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Der Blick, der sich des anderen bemächtigt, kennen Sie den? Spüren Sie es manchmal, wenn Sie über andere reden, dass dieses Reden eine Bemächtigung sein kann, dass Sie sich, urteilend, des anderen bemächtigen? Und sind unsere Aussagen über Gott nur Aussagen oder sind sie nicht oft ein Zugriff?

Wir sind immer zwischen Nähe und Übergriff. Auch wenn wir einen Menschen feiern. Die Überraschungsparty ist der Alptraum des Schüchternen, und das Heiligenfest wird eine Ideologie-Aktion, eine In-Besitznahme des Heiligen zu bestimmten Zwecken. Man kann Heilige feiern, als ob sie uns gehörten. Wenn von der heiligen Theresia von Avila nichts mehr übrigbleibt als ihr Wort: „Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“, werde ich misstrauisch. Ich ahne, dass es besonders gern von den Kirchenleuten zitiert wird, die viel von Rebhuhn und wenig von Fasten verstehen. Da wird eine großartige Frau eingekocht zu einer Lieferantin von spaßig-klugen Kalendersprüchen. Dass diese Frau sich an den Gittern ihrer Zelle festklammern musste, um nicht weggerissen zu werden vom Sturm der Ekstase, das wird verschwiegen, peinlich berührt. So weit soll Religion doch bitte nicht gehen.

Theresia von Jesus, wie ihr Ordensname war, ist heute eine populäre Heilige. Ja, es gibt Moden auch in der Heiligenverehrung… Sie wird uns gezeigt und gerühmt als die respektlose Frau, die sich gegen die Männerwelt der Kirche stellt, als die Frau mit dem gesunden Menschenverstand, mit Humor und Organisationstalent, als Schriftstellerin und Theologin, die Seelsorgerin, die sich gegen den Rigorismus ihrer Zeit stellt und stattdessen auf die Sanftmut setzt. Das alles ist heute sehr willkommen, wird gerne aus dem Hut gezaubert, wenn man damit irgendwo punkten kann.

Von den Feinheiten der Seelenführung sprechen nur Spezialisten. Vor den Schmerzen, Kämpfen, Abgründen der Mystikerin: betretenes Schweigen. Zu viel Gefühl, zu dunkel, zu doppelbödig. Was eine schwachbrüstige Zeit, die unsere! Wie verklemmt die Kirche sein kann, auch in ihren modernsten Repräsentanten und Repräsentantinnen.

Bernini, geboren zehn Jahre nach dem Tod der Heiligen, derselbe, der sich traute, die kostbaren Bronzen der römischen Antike einzuschmelzen, um daraus den triumphierenden Tabernakel über dem Grab des Petrus aufzutürmen, derselbe, der die offenen, aber auch zugreifenden Arme der Kolonaden auf dem Petersplatz bauen ließ: Bild der römischen Kirche – Bernini wagt es auch, die „Verzückung der hl. Theresia“ aus weißem Marmor zu schlagen und das Bild in der römischen Kirche Santa Maria della Vittoria aufzustellen. Was sehen die Besucher – und die Beter! – bis heute? Sie sehen den Engel, der mit einem golden brennenden Pfeil zielt. Auf das Herz der Frau. Der Engel lächelt. Und auf dem Gesicht der Frau? Lust. Lust und Schmerz. „Ein Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ und nicht in Bilder. Das Bild Berninis sagt mehr und Wahreres als 100 knöcherne Erläuterungen der Schriften der heiligen Theresia.

Chaos, Kampf, Überwältigung, Süßigkeit, Entzücken, tobender Schmerz, Leben diesseits und jenseits der Grenzen… so kann das Leben sein. Und das wollen sie weg erklären? Glauben diese Leute wirklich, dass das Leben sich totschweigen lässt?

Ich frage lieber: Was kann das alles zusammenhalten? Was kann das alles läutern? Antwort: die Freundschaft. Das war der Glaube vor allem für Theresia: Freundschaft mit Gott. Also Beziehung. Wenn Ihr Glaube nicht zur Beziehung wird, werden Sie verdorren. „Wer nicht in mir bleibt… verdorrt.“

Wenn Sie – wie so viele Christen! – Herren und Herrinnen der Lage bleiben wollen, wenn Sie Gott Ihre Bedingungen diktieren, statt nach seinen zu fragen, werden Sie verdorren.

Freundschaft ist anders. Freundschaft bedeutet: Zwischen zwei Wesen gerät etwas in Bewegung. Das Ego wird weniger, das Du wird wichtiger.

Echte Freundschaft lebt von der Aufrichtigkeit. Seien Sie aufrichtig mit Christus. Bewerten Sie nicht, verdrängen Sie nicht, seien Sie! Seien Sie einfach. Christus erschrickt nicht über Ihre Abgründe. Er versteht. Christus liebt die Wahrheit!

Machen Sie Ihr Gebet so, dass es wird wie „das Verweilen bei einem Freund“. Das ist nicht mein Rat; das sagt die Heilige Ihnen.

Hoffen Sie. Auf das, was Sie „nicht sehen“. Das ist Beten: bewusstes, entschiedenes Ausharren, Hoffen.

Seien Sie klarsichtig, klug. Dann wird Ihnen aufgehen, wie leicht Askese und Bußübungen zu Strategien der Selbstbehauptung werden: Ich bin der Herr über mein Leiden, ich entscheide, wie weh es tun darf, wie schwer es sein darf. Ich bleibe bei mir. Die Freundschaft aber sagt: Geh weg von Dir!

Ist Ihnen das zu leicht, finden Sie das zu süß, kitschig? Dann bedenken Sie, wie die Heilige vom Freund spricht, wie sie ihn nennt: „Seine Majestät.“ – Einen lieben, dessen Züge man nie gesehen, dessen Stimme man nie gehört hat: Das ist das ganze Christentum.

Ist Ihnen das zu abgehoben? Zu innerlich für einen echten Ordensritter? Dann hören Sie die Heilige: „Ob wir Gott lieben, kann man nie wissen; die Liebe zum Nächsten aber erkennt man sehr wohl.“

Frauen und Männer, alt und neu, Autarkie und Unterwerfung, Organisation und Innerlichkeit: so viele Kategorien. Theresia sprengt sie alle und ist dennoch echt und eins. Was hält ihr das Leben zusammen? Die Freundschaft.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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