Dienstag der 23. Woche im Jahreskreis (B), 11. September 2018 (gehalten Montag, 10. 9.)
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Dieser Mensch ist unerträglich! – Sie kennen das: Sie haben mit einem zu tun, der wirklich gar nicht geht. Was machen Sie dann? Ihn um die Ecke bringen, ist verboten. Aus dem Weg gehen, ist nicht immer möglich. Dann etwa, wenn man mit dem unerträglichen Menschen Kinder hat. Und vielleicht ist er ja nicht ganz und gar, nicht in jeder Hinsicht unerträglich. Oder war es zumindest nicht immer. Da sind auch schöne Erinnerungen. Was machen Sie da? Einfach neben einander her leben? Ignorieren? Ich habe keine flinke Antwort. Ich sehe aber: Es gibt nicht nur Personen, die kaum auszuhalten sind, es gibt auch Texte in der Hl. Schrift, die unerträglich sind. Die Lesung heute. Was tun damit? Die meisten ignorieren, was da steht und gehen ihren eigenen Weg, – und der führt sehr schnell weg von der Bibel insgesamt. Dieser Weg scheidet für mich aus. Ich glaube wirklich an eine heilige Schrift, eine Mitteilung Gottes und will mich ihr stellen. Ich will einen Weg finden, mit dieser alten heiligen Schrift zu leben, – so wie ich einen Weg finden muss, mit schwierigen Menschen zu leben. Die Lesung behandelt die Stellung der Christen in der Welt. Im Grunde sagt Paulus: Diese Welt ist Pfusch, sie zählt nicht mehr, und ihr Christen gehört nicht dazu. Ihr seid besser. „Wagt es einer von euch, vor das Gericht der Ungerechten zu gehen?“ Stellen Sie sich das vor als Inschrift über dem Wiener Landesgericht: „Gericht der Ungerechten.“ So denkt Paulus von der Welt. Daher seine Ansicht, Christen sollten ihre Rechtsstreitigkeiten unter einander ausmachen (Sondergerichtsbarkeit). „Wie könnt ihr jene, die nichts gelten“ – die Juristen – „als Richter einsetzen?“ Warum streitet ihr überhaupt untereinander, ihr Christen? „Warum leidet ihr nicht lieber Unrecht? Warum lasst ihr euch nicht lieber ausrauben?“ Krass, oder? Wie also mit einem solchen Text umgehen? Abtun, weil völlig unpassend zu unserem Leben heute? Nicht mehr vortragen? Ja, was denkt sich die Kirche, wenn sie uns solches vorlegt? Ist das ihr Ernst? Einen Menschen in Summe ablehnen, ganz und gar, ihn also erledigen, das geht nicht. Weil ihm immer ein paar Seiten bleiben, die Achtung und Wertschätzung verdienen. Auch ein Kinderschänder behält seine Menschenwürde. Man darf ihn nicht behandeln, als sei er ein Tier. Also unterscheiden: Was ist schlecht, was geht gar nicht – und was ist gut? Unterscheidend vielleicht erkennen, worum es wirklich geht. Darum geht es Paulus: Es gibt einen Unterschied zwischen der Welt und dem Reich Gottes, zwischen Christen und Ungläubigen. Selbst das ist eine Zumutung. Weil wir heute in einem Geist befangen sind, der genau diesen Unterschied leugnet. Der sagt: Da ist kein wesentlicher Unterschied zwischen Christen und Ungläubigen. Alle sind gleich; alle sind gleich gut; der eine Glaube so gut wie der andere. Wirklich?! Ist der Glaube eines menschenopfernden Azteken oder eines biertrinkenden Germanen so gut wie der eines Juden oder eines Christen? Alle sind gleich in ihrer Menschenwürde. Aber auf der Ebene des Glaubens gibt es ein Mehr oder Weniger, ein richtig und falsch (Widerspruchsprinzip). Es gibt also Unterschiede. Nicht nur in den äußeren Erscheinungsformen (Schleier), sondern inhaltlich. Wir unterscheiden uns. Wir sind die Besseren. Sagt Paulus. Warum genau? Hier wird es interessant. Ist der Malteser-Ritter-Orden besser, weil er alt ist? Weil er die großen Namen versammelt? Oder weil seine Mitglieder heilig sind? Sind die Katholiken besser, weil sie die schönsten Kathedralen haben und Mozart – oder weil sie bei der Wahrheit Jesu bleiben? Paulus macht klar – und das ist das Bleibende an seinen Worten –: „Ihr seid reingewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi.“ Das ist der Grund unserer Überlegenheit: die Gnade. Nicht unsere Intelligenz, nicht unsere Tugend, nicht die kulturelle Leistung. Jedes getaufte Neugeborene ist dieser alten Welt überlegen, weil es gerettet ist. Gerechtfertigt. Die Gnade, also Gott handelt ohne Vorbedingung, ohne unsere Leistung, ohne Grund (!). Gott hebt uns empor und heraus. Gnade ist das, was Gott am Menschen tut. Gnade macht den Menschen fähig für das Reich Gottes. Die Gnade verwandelt den Menschen. Er bleibt auf dieser Erde, aber wird geheilt, fruchtbar, lebendiger. Die Leute meinen, Gott, so es ihn denn gibt, Gott handle außen, wirke entweder Wunder oder gar nicht. Sie meinen: Wunder bedeutet, dass Gott diese Welt hier aus den Angeln hebt. Krebszellen verschwinden lässt, Steuer herumreißt, Vulkane verstopft, Diktatoren erschlägt. Falsch. Gott handelt in unserem Inneren. Was tut er? Er versöhnt uns mit sich. Wir haben ihm den Krieg erklärt, er macht Frieden mit uns (Agnus Dei). Die Theologen nennen das „Rechtfertigung“. Dann schenkt Gott uns Glauben, Hoffnung und Liebe. Göttliche Liebe ist eine Liebe, die läutert. Die Menschen vereint. Göttliche Liebe, das ist eine Liebe, die erleuchtet, also besser verstehen lässt. Die einen verwandelt, barmherziger macht, Sinn für Gott gibt, tapfer macht, geduldig, demütig. Die Kirche, das ist die Spannung zwischen Nichts und allem, zwischen Gnade und Natur, Demut und Würde. Die Kirche ist zwischen Himmel und Erde. Wir, die Getauften, sind in beiden, in der Welt und im Himmel. Davon spricht Paulus. In jedem erlösten, gerecht gewordenen Herzen ist das Reich Gottes. Jesus hat dieses Reich verkündet. Er hat es begonnen am Kreuz. Das Reich Gottes ist da, sichtbar in den Wundern, in jedem guten Werk, in jedem wahren Wort. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.