Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Dienstag der ersten Woche im Jahreskreis, 10. Jänner 2017

08/03/2017 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Was habe ich mit Ihnen zu schaffen? Pardon, aber streng genommen nichts. Unsere Wege kreuzen sich, wir wechseln Worte, wir sind zur gleichen Zeit am gleichen Ort… Mehr nicht, oder? Man kann das so sehen, und in Zeiten von Wut und Kälte sehen das tatsächlich viele so: Keiner hat etwas mit keinem zu schaffen; letztlich steht jeder für sich. Allein. Es gibt gar keine echte Gemeinschaft.

Diese schmerzhaften Gedanken führen zu einer erhellenden und entscheidenden Frage. Sie lautet: Was haben wir alle hier, Sie, ich mit Christus zu schaffen? Anders gefragt: Ist Christus eine Gestalt aus der Geschichte, die Sie beeindruckt? Deren Worte sie beherzigen oder gerne beherzigen würden? Ist Christus ein Vorbild? Vorbild für Lebensfragen wie ein Filmstar Vorbild in Kleidungsfragen ist? Oder ist Christus Ihr Erlöser? Ihr Herr? Ihr Freund? Ihr Haupt?

Der Hebräerbrief, den die Kirche in diesen Tagen nach dem Ende der Weihnachtszeit betrachtet, spricht davon, dass Jesus “für alle den Tod erlitt“. Jener Moment, in dem der Mensch wirklich ganz allein ist, jener allerletzte Schritt ins Wagnis hinein, bei dem uns keiner begleiten kann, genau der Moment des Todes ist für Jesus der Moment der Gemeinschaft. Das geht so weit, dass er für andere, also an ihrer Stelle den aussichtslosen Tod des Sünders erleidet – und so bewirkt, dass unser Tod ins Weite hinaus führt. Durch seinen Tod ist unser Tod mit einem Mal nicht mehr aussichtslos. Nur noch ein Ende, aber nicht das Ende überhaupt.

Der Gedanke der Stellvertretung – die ja noch mehr ist als Nähe –, dieser Gedanke stellt das Christentum dem entgegen, was heute gelebt, gedacht und verstanden wird. „Jeder für sich allein!“ steht gegen: „Einer stirbt an meiner Stelle, leidet an meiner Stelle, einer opfert sich für mich.“ Es gibt eine Gemeinschaft, die über bloße Solidarität hinausgeht: Damit steht und fällt das Christentum.

Der Hebräerbrief nennt uns auch den tiefsten, den ersten Grund solcher Stellvertretung: „Denn er, der heiligt und sie, die geheiligt werden, stammen alle von Einem ab.“ Wir haben mit einander zu tun und wir haben mit Christus zu tun, weil wir alle mit Christus zusammen denselben Ursprung haben: Gott. Christus ist aus Gott – der Sohn –, Sie sind aus Gott, ich bin aus Gott: Das ist das Erste, was uns verbindet. Nicht unsere Absichten verbinden uns, sondern unsere Ursache, unsere Herkunft verbindet uns.

Hier geht es um die Grundlagen der Kirche und jeder menschlichen Gemeinschaft. Entweder Jesus ist einer, von dem schöne Worte überliefert werden und der schon lange tot ist, oder er lebt und verbindet uns mit einander. Entweder jeder ist allein, alle Gemeinschaft ist Illusion, ebenso jede Liebe, oder die Wörter „Heimat“, „Vorfahren“, „Schwestern und Brüder“, „Kirche“ haben einen existentiellen Sinn. Wir gehören zusammen, über soziale Herkunft und Sympathie hinaus, so tief, dass der eine wirklich für den anderen einstehen kann. Einer kann für den anderen beten, dessen Anliegen zu seinen eigenen Anliegen machen. Einer kann sogar anstelle des anderen beten. Einer kann die Schmerzen des anderen tragen. Er muss nur einwilligen. Diese Gemeinschaft geht über den Tätigkeitsbericht eines Hilfswerkes weit hinaus.

Gemeinschaft entsteht auch aus der Schuld. Wir können an einander schuldig werden. Schuld verbindet Menschen. Wie wir in einer Gemeinschaft leben, aus der heraus Schuld entsteht – „Kollektivschuld“ –, so leben wir aber auch in einer Gemeinschaft, aus der Erlösung entsteht: die Gemeinschaft der Kirche. Diese Gemeinschaft, aus der heraus Erlösung entsteht, hat ihr Zentrum in Christus, „dem Urheber unseres Heiles, der durch Leiden vollendet wurde“. Sein Leiden hat also tatsächlich mit uns zu tun. Ein anderer, Christus, bewirkt meine Erlösung. Das Opfer ist möglich.

Vollendet wird das Opfer aber erst durch die Antwort. Ich kann beobachten, was Christus tut und sagen: „Geht mich nichts an.“ Ich kann erleben, was er für mich tut und sagen: „Ich habe nicht die Kraft zu folgen und Ähnliches zu tun.“ Und ich kann einsteigen in die große Bewegung.

Christus ist der Erste Beter – ich kann mit ihm beten. Christus ist der Erste und einzige Priester – aber wir können mit ihm opfern. Für andere.

Christus ist das Haupt der Gemeinschaft, und wir können Gemeinschaft schaffen.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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