Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Dienstag der 2. Adventswoche, 6. Dezember 2016

11/01/2017 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Was hören Sie? – „Tröstet, tröstet mein Volk.“ Ist es das? Oder hören Sie „verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht“? In welchem Frondienst stehen Sie? Oder hören Sie „alles Sterbliche ist wie Gras“? Ich bin sterblich. „Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam.“ Hören Sie vielleicht das? Haben Sie Sehnsucht nach einem, der Sie behutsam durchs Leben trägt? Es gibt so viel zu hören in diesen Worten des Propheten; wie sollen wir da zu einander kommen? Welches Wort trifft Sie und welches trifft mich?

Trost und Strafe, Offenbarung des Herrn, die Wahrheit über das Leben, Triumph und Fürsorge Gottes: das alles in einer Lesung. Sie handelt vom Menschen und von Gott. Das erste Wort ist „Trost“, das zweite „Strafe“.

Gott straft den Schuldigen. Das setzt voraus: Es gibt einen Gott, es gibt eine Schuld und Schuldige. Sie wissen, dass kaum einer da draußen das zugeben würde. Da draußen gibt es keine Schuld. Oder kennen Sie wen, der sagt „Ich bin schuldig“? Schuld gibt es allenfalls an den großen Gerichtshöfen oder beim Scheidungsprozess. Da ist nur einer schuld. Der andere. Da draußen gibt es auch Gott nicht. Wenn, dann nur den kleinen, milden Gott, der jeden annimmt, wie er ist. Oder den ungerechten Gott, der uns Krankheiten schickt, obwohl wir nichts getan haben. Den wahren Gott gibt es nicht. Der wahre Gott sieht alles. Nicht weil er kontrolliert und spioniert, nein: Weil er die Fülle der Wahrheit ist. Gott sieht alles. Also auch die Opfer. Wo der Schuldige ist, da sind auch die, an denen er schuldig wurde. Die Opfer, die leiden. Gott sieht alle zusammen. Die ganze Gemeinschaft der Menschen. Gott sieht den Lügner und den Belogenen. Den, der nicht mehr an die Wahrheit glauben kann, weil der Lügner sein Vertrauen zerstört hat. Von nun an wird er misstrauisch durchs Leben gehen oder zynisch oder selbst lügen. Der, der lügt, zerstört das Leben des Belogenen. Gott sieht den Räuber und die Bestohlenen. Die, die sich nicht mehr in ihre eigene Wohnung trauen wie die, deren ganze Heimat gestohlen wurde. Gott sieht den, der mit seinen Worten getötet hat – den Anstand, die Würde, die Achtung – und er sieht die von Worten Getöteten. Gott sieht alles – und sorgt nicht für Gerechtigkeit. Ja, so sieht es aus. Und viele verzweifeln daran; nehmen die Gerechtigkeit selbst in die Hand.

Aber stimmt es wirklich, dass Gott nichts tut? Keinen Einhalt gebietet, nicht straft, nicht rächt? Gott sieht alles, – wir sehen nicht alles. Wir sehen nur jetzt; wir sehen nur diese Welt; nur uns selbst (und das noch schlecht). Aber gibt es nur jetzt? Sind wir immer nur zwischen gestern und morgen? Gibt es nur diese Welt hier?

Die Propheten lassen uns ahnen, dass da mehr ist. Texte wie der der heutigen Lesung weiten den Raum und die Zeit. Es geht uns auf: Da ist die Erde und da ist der Himmel. Es gibt diese Welt und das Reich Gottes, die Zeit und die Ewigkeit. Wo die Grenzen laufen, wissen wir nicht.

Gott wird strafen, zur rechten Zeit, am richtigen Ort. Er wird strafen um der Opfer willen. Gott sieht den Täter und kann den Blick nicht vom Opfer wenden. Er straft und tröstet. Gott allein, weil wir nie alles sehen und unsere Gerechtigkeit deswegen immer schief ist.

Gott wird vergeben. Die Strafe ist das Zeichen der Vergebung. Die Strafe stellt die Gemeinschaft wieder her. Die Opfer können die Täter in ihre Nähe lassen, nachdem sie gesehen haben, wie diese für ihre Taten büssen. Nun ist es gut.

Die Frau, die betrogen wurde und dann verlassen wurde und allein bleibt für den Rest ihres Lebens, sie muss nicht dulden, dass der Täter neben sie zu sitzen kommt, einfach so. Sie darf den Schmerz seiner Einsicht und seiner Reue sehen. Sie empfindet Genugtuung und Mitleid. Nun ist es gut.

Dies alles geschieht in der Gemeinschaft der Armen Seelen, in der Welt der Läuterung. Täter und Opfer werden nicht separiert. Kein Mensch ist nur für sich. Die Welt ist eine Gemeinschaft von Menschen, auch die Kirche. Der Himmel ist eine Gemeinschaft und auch das Fegfeuer. Nur die Hölle ist ewige Einsamkeit. Die, die nicht bereuen, finden keinen Weg mehr zu den anderen.

„Seht, Gott, der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm.“ Das ist die Hoffnung der Opfer. Und die Hoffnung der Täter. Der starke Arm Gottes rührt die verletzten Herzen der Opfer an und die reuevollen Herzen der Täter. Gott nimmt nicht jeden an, wie er ist. Gott verändert. Er läutert.

„Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide… die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam.“ Das steht am Ende der heutigen Prophetie, weil es auch am Ende der Geschichte steht. Nach Schuld und Leiden, nach Reue und Gerechtigkeit wird eine Herde. Gott versöhnt.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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