Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Fest des hl. Januarius, 19. September 2016

17/11/2016 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Nicht viel. Das Übliche: Bischof, Märtyrer, Legenden. Unter dem Kaiser Diokletian, in der frühen Zeit der Kirche, wurde Januarius enthauptet. Er war der Bischof von Neapel. Viel mehr wissen wir nicht. Wir können wieder nur ahnen. Das Übliche also. Das Besondere an Januarius und seinem Fest ist das Befremdliche. Ein Wunder. Ein Wunder, das sich wiederholt, auf Zuruf, an bestimmten Tagen des Kalenders. Da verflüssigt sich das eingetrocknete Blut des Heiligen wieder. Eine gute Frau soll ein paar Tropfen vom Blut des hl. Januarius aufgefangen haben, als sein Haupt zur Erde fiel. Die Ampulle wird im Dom von Neapel bewahrt. Das berühmte „Blut-Wunder“ ist seit dem 14. Jht. bezeugt. Da kann man leicht sagen „Mittelalter“ und „Volk“ und „Italien“. Man sagt es in der Regel herablassend und argwöhnisch. Noch ein Beweis für die rückständigen Machenschaften der katholischen Kirche. Nichts auf dieser Welt ist zweifelhafter als sie.

 

Bestätigt hat die Kirche das Wunder nie. Aber der Kardinalerzbischof von Neapel lässt es sich nicht nehmen: Er kommt alljährlich, um dem Volk das wallende Blut des Heiligen zu zeigen. Die Kirche lässt es ein ungeklärtes, unanalysiertes Phänomen. Die Naturwissenschaften haben keinen Zugriff. Dafür umso stärker der Zugriff des Volkes. Gewaltsam fast. Schreiend. Wütend. Zärtlich. Verzweifelt. „Heiliger Januarius, bitte für uns!“ Was wir murmeln, wird in Neapel geschrieen. Und so ist es richtig.

Auch die Volksfrömmigkeit mit allen Abgründen und Torheiten lässt die Kirche gewähren. Die Kirche ist die Lassende.

Warum schafft sie keine Ordnung? Hier nicht wie woanders nicht? Es wäre doch ganz leicht… Diese eine Frage: Warum schafft die Kirche keine Ordnung?, ist der Eingang zu so vielen anderen Fragen an die Kirche. Warum ist sie immer wieder in der Nähe der Macht zu finden? Warum lässt sie die Bibel wie sie ist, streicht nicht alles, was den Exegeten anstößig ist? Warum sagt sie überhaupt: Dieser Text ist vom Hl. Geist inspiriert, jener nicht? Markus-Evangelium ja, Thomas-Evangelium nein. Und warum sagt sie immer noch: Es gibt einen wesensmäßigen Unterschied zwischen Mann und Frau? Das hat die Gender-Forschung doch längst widerlegt. Warum hortet sie Reichtümer, warum verkauft sie den Vatikan nicht? Warum erzählt sie Legenden? Warum segnet sie das Vieh? Hat denn Jesus Vieh gesegnet? Warum ist die Kirche immer wieder autoritär, hart, gleich als verachte sie den Einzelnen?

Erste Antwort auf alle diese Fragen: Die Kirche ist so, weil Macht geil ist. Weil Menschen gerne mächtig sind und Politik machen. Weil Menschen nicht gut sind. Und weil die Kirche aus Menschen gemacht ist (zum einen Teil jedenfalls). Die Kirche ist so, weil sie menschlich ist. Und hier bedeutet „menschlich“ nichts Gutes.

Zweite Antwort: Die Kirche ist so, weil sie alles gesehen hat. Alles Gute und alles Böse dieser Welt. Sie hat die Befehle des Diokletian gehört, die Westgoten in Rom gesehen, die Guillotine in Paris, den Kommunismus und den Kapitalismus. Die Kirche ist so alt und so weit! Die Kirche war dabei. Sie ist da, wenn eine Mutter ihr Kind beerdigt und wenn eine geistliche Schwester die Nacht am Bett des Sterbenden verbringt; sie war aber auch dabei, als die katholischen Spanier die Indios massakrierten. Sie war da, als Theresia von Avila und Johannes vom Kreuz beteten und sie war dabei, als menschenverachtende Theologen Gefängnisse aus Logik errichteten.

Wer überall war, wird ruhig. Eine Ruhe, die die anderen weder verstehen noch lieben können. Wer überall war, wird allem wie fremd. Seine Liebe kommt ohne Emotionen aus. Das ist das ungerührte, stille Gesicht des hl. Januarius, silbern und ruhig mitten im Geschrei und im Rufen Neapels…

Die 3. Antwort auf die Fragen an die Kirche findet sich im 110. Psalm. Da heißt es: „Ex utero ante luciferum genui te.“ – „Ich habe dich gezeugt noch vor dem Morgenstern, wie den Tau in der Frühe.“ Die Rede ist von Christus. Doch wo Christus ist, da ist auch seine Kirche. Die Kirche ist also vor und vom Anfang der Zeiten. Die Kirche ist ewig.

Die Gemeinschaft der Protestanten entstand an den Schreibtischen der Reformatoren und in den Kanzleien der Mächtigen. Die Kirche kommt aus dem Schoß. Aus dem Schoß des Allmächtigen und aus dem Schoß der mütterlichen Jungfrau. Sie kommt aus Dunkel und Blut, aus Geheimnis und Leben. Wer keine Ahnen hat, wer mit sich selbst beginnt und sich nur selbst erfindet, wird solches nie verstehen.

Ihrer Herkunft wegen kann die Kirche sich selbst nicht kennen und ahnt, dass sie auch die Welt nicht kennen kann und nicht den Menschen. Es ist alles zu groß, zu viel, zu weit. Es ist wie es ist. Bis Gott selbst es ändert.

Vor allem, was geschieht, vor dem Blut des Heiligen in Neapel wie vor den Gefangenenlagern, vor den Bauern, die um ihre Ernte beten wie vor den Mystikern, die weggerissen werden von sich, vor allem ahnt die Kirche: Da ist so viel mehr. Sie kann es nicht benennen, sie kann es nicht regeln und ordnen, denn dann wäre sie Gott. Die Kirche schaut aus Gottes Richtung, aber nicht mit Gottes Wissen und Macht. Sie wartet. Mitten im Geschrei der Welt wartet die Kirche.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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