Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Dienstag der 23. Woche im Jahreskreis, 6. September 2016

25/10/2016 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Gott hat sich schwach gemacht, um uns schwachen Menschen nahe zu sein: eine Lieblingsbehauptung der aktuellen Spiritualität. Genau die Message, die ein junger Mann lieben wird, der von nichts anderem träumt als einem Audi und einer turbo Fitnessstudio-Figur. Von Kraft also.

„Allmacht Gottes“, „Herrschaft Gottes“: Das kommt zwar in der Bibel vor und deshalb auch in der Liturgie; aber den prägenden Kreisen in der Kirche sind diese Begriffe suspekt. Das Augenmerk der Kirche habe den Armen und Kleinen zu gelten, heißt es. Arme und Kleine aber sind: schwach. Oder? Macht und Kraft sind verpönt. Nicht in der charismatischen Esoterik, nicht im Sport, nicht in der Arbeitswelt, aber in der Kirche. Wie immer ist es gut, diese Strömungen und Besonderheiten unserer Zeit zur Kenntnis zu nehmen – und sich dann ganz ruhig dem Evangelium zuzuwenden. Da steht heute der Satz: „Alle Leute versuchten, ihn zu berühren; denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte.“

Solche Sätze sind es, die heute vielen Christen und vor allem Theologen peinlich sind. Das klingt ihnen nach alten Mythen, aber nicht nach der Kirche des 21. Jahrhunderts. Berührung und Kraft, das gibt es in den Fußballstadien, vielleicht an abseitigen Wallfahrtsorten, auch in den Clubs der großen Städte, wo Kraft und Berührung aus den Boxen strömen. Aber in den Gottesdiensten der Kirche? Wenn sie sich nicht in albernen Spielen verplempern, sind sie wohl bedacht, korrekt, tadellos – aber nicht kraftvoll! Wir haben eine Kirche mit viel Kopf (was nicht unbedingt viel Geist bedeutet) und mit noch mehr Gefühl. Aber die Kraft bleibt dem Zufall überlassen. Von Jesus ging jedoch, so das Zeugnis des Evangelisten, eine Kraft aus. Ist das mit ihm abgebrochen? Hat er der Welt nur Worte weitergegeben, aber nicht seine Kraft? Anders gefragt: Was wünschen sich Menschen? Wünschen sie sich Lehre und Belehrung? Oder Berührung? Kraft? Heilende Kraft? „Sie alle wollten ihn hören… und geheilt werden“, heißt es jedenfalls im Evangelium.

Jesus lässt sich berühren und berührt selbst. Dieser Mann ist höchst körperlich, und die Welt, in der er lebt, ist es offenbar auch (Kranke, Magdalena, Fußwaschung, Brotbrechen).  Seine Taten sind Kraftakte. Seine Worte sind Kraft (Synagoge). Ein Kraftakt ist doch auch die Erwählung der Zwölf Apostel, die das Evangelium heute berichtet. „Und er verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott.“ Was ist ein Gebet anderes als ein mächtiger Fluss von Kraft?

Wie kommt es da, dass uns Christen der Gedanke an Berührung unangenehm ist, wenn nicht anstößig? Und das Wort „Kraft“ intellektuell verdächtig? Wir brauchen doch Kraft, jeder hier, nicht wahr? Manchmal körperliche, noch viel öfter geistige Kraft. Und die Kirche (um gar nicht von unseren Beziehungen und Begegnungen zu reden), die Kirche berührt uns, immer wieder. Aber ist sie uns eine Kraft-Quelle? Vielen ist die Kirche eine Quelle des Trostes, der Geborgenheit, vielleicht auch der Einsicht. Aber Kraft-Quelle? Was fehlt? Die Auseinandersetzung bis ins Körperliche hinein.

Kraft ist etwas anderes als Präpotenz oder Dünkel. Der Kontext von Gebet und Heilung und Berührung macht uns klar, um welche Art von Kraft es da geht. Gebet: eine verliehene, geschenkte, empfangene und angenommene Kraft. Dieser Akt der Annahme ist nicht Passivität, sondern gespannte Aktivität. Eine Sache der Hartnäckigkeit, des Durchhaltens, der Leistung, der dem Gesetz des „Wer hat, dem wird gegeben“ unterliegt. Heilung und Berührung: eine wohltuende, respektvolle, sogar zarte Kraft.

Betrachten Sie die Gesten Jesu, achten Sie auf die Gesten der Kirche: heilend, achtsam, kraftvoll. Sie gehen aber ins Leere, bleiben unfruchtbar, wenn sie nicht kraftvoller Annahme begegnen (Empfang der Kommunion).

Selbstbewusstsein und Stärke also auf beiden Seiten. Bei dem, der Kraft weitergibt, aber auch bei dem, der sie empfängt. Achten Sie auf den Ton, den Paulus in seinem Brief an die Korinther heute anschlägt. Er setzt auf die Souveränität und Unabhängigkeit der Christen. Auf ihre Kraft also. „Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden?“, sagt er ihnen. Und deswegen könnt ihr das alleine, euch versöhnen. Ohne bürgerliche Gerichte. Es geht also um konkrete Kraft. Die Kirche berührt, sie hat Kraft und gibt Kraft weiter. Irgendwelche esoterischen Subtilitäten braucht sie nicht; sie hat die Sakramente. Kein Sakrament ohne Berührung, jedes Sakrament eine Kraft. Eine geistige zuerst – aber was für eine Kraft wäre das, die nur geistig bleibt, nie körperlich wird? Wir sind doch Seele und Leib.

Die Kraft der Kirche kommt von dem, der sagt: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen.“ Welche Kraft!

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