23. Sonntag im Jahreskreis (C), 4. September 2016
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
„Keiner von euch, der nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet, kann mein Jünger sein.“ Wie redet Jesus da mit uns? Wir Katholiken hier sind also nicht seine Jünger? Weil wir nicht den Anforderungen entsprechen? Weil wir an unseren Möbeln hängen und an den Eltern und unseren Kindern? Noch einmal: Wie redet Jesus da mit uns? Ich hoffe, Sie spüren Empörung. Besser, Sie sind irritiert über ein Wort Jesu, als dass es Sie kalt lässt. Damit Ihnen aufgeht, wie Jesus wirklich ist.
Wenn Sie sich die Evangelien ins Gedächtnis rufen, fällt Ihnen auf, dass die Rede Jesu selten sanft oder tröstlich ist. Im Gegenteil. Schläuche platzen, Kleider reissen ein, Blinde fallen in die Grube; es gilt: Wer hat, dem wird gegeben. Feldzüge scheitern im Chaos, weil ein Militär sich überschätzt hat; Bauruinen entstehen, weil einer nicht rechnen konnte; der Angeber wird degradiert; Beten ist wie Erpressung. So ist Jesus. Und so ist das Leben. Jesus redet vom echten Leben. Das Sie kennen.
In der ersten Lesung fiel das Wort Weisheit. Bernhard von Clairvaux sagt: „Ein Weiser ist der, dem die Dinge so schmecken, wie sie sind.“ Weisheit sagt, wie es ist. Bei der Weisheit geht es ums Realisieren, um Erfahrung, nicht um kühle Logik, sondern um Wahrnehmung des Ganzen. Erde und Himmel. Manches, was Jesus sagt, ist wörtlich gemeint, anderes bildlich; aber immer sagt er uns unverblümt, wie das Leben ist. Das sind keine Plaudereien beim Tee.
Hinter der Rede Jesu steht der Gedanke: Die Welt ist nur eine. Deswegen gibt es auch nur eine Spielregel. Jesus denkt nicht so: Hier die Welt und dort, weit weg, das Reich Gottes. Jesus sagt: Was hier unter uns gilt, gilt auch in der Beziehung mit Gott. Gott und Mensch, das sind für ihn nicht zwei völlig verschiedene Sphären, sondern das ist eine Welt.
Das ist wichtig. Weil Religion sonst das Gegenteil von Alltag wird, – anstatt den Alltag zu prägen. Weil wir sonst eine Religion zum Abheben haben. Abheben bei der Matthäuspassion oder in romanischen Kapellen. Bevor wir wieder in den Ring steigen und austeilen. Nur eine Welt: Weil Gott sonst eine Art ferne Übermutter wird, – und unsere Alltagswelt ungestört bleibt. Es liegt aber auf der Hand, dass Jesus unsere Welt sprengen will.
Was im Lebenskampf gilt, gilt auch im Glauben. Was wir uns wirklich wünschen, unsere vitalen Interessen spielen auch im Glauben eine Rolle. Der Glaube ist nicht abgehoben, sondern nützlich. Beim Glauben geht es nicht um ein Spiel, sondern um nackte Existenzsicherung. Allerdings mit längerfristiger Perspektive. Die Perspektive Jesu ist Gott. Jesus lehrt uns heute: So ist das Leben. Aber das Leben ist mehr als nur das gleich vor eurer Nase.
Ein Beispiel: Kuschen ist nötig. So ist das Leben. Jesus leugnet das nicht. Aber er verschiebt den Fokus: Kuscht nicht vor eurem Abteilungsleiter, kuscht vor Gott. Das nennt man Demut. Liebt eure Kinder, eure Eltern, aber checkt, dass Gott noch wichtiger ist. Es gibt nun einmal Dinge, die vergehen und Dinge, die bleiben. So ist das Leben. Gott bleibt.
Der Bau eines Turmes, ein Krieg: Das sind Höchstleistungen. Die Einsatz fordern, Risikobereitschaft. Bezeichnend, dass Jesus die Formulierung „Wer sein Leben retten will…“ aus der Soldatensprache hat. Wer feige ist, verliert sein Leben. Nur wer kämpft, hat eine Chance.
Das Leben ist Kampf. Jesus beschönigt nichts, er tröstet auch nicht. Jesus will nur, dass wir den richtigen Kampf führen, am richtigen Platz: im unsichtbaren Teil der Wirklichkeit. Das Reich Gottes ist nah.
Jesus baut darauf auf, dass Menschen leben wollen und will deswegen, dass wir begreifen: die Befreiung aus der Enge der Familie, aus dem Gulag von Geld und Status, lohnt sich. Sie macht uns lebendiger.
Man sagt uns immer, Glaube müsse Geborgenheit bieten und trösten; wir hören seit Jahren: Gott achtet nicht auf Leistung; er nimmt dich, wie du bist. Das sagen irgendwelche frommen Büchlein. Jesus sagt das nicht.
Fragen Sie sich einmal, warum die, die in der Gesellschaft wirklich etwas bewegen, in Wirtschaft, Wissenschaft oder Kunst, warum die so selten in der Kirche zu finden sind? Liegt es vielleicht daran, dass in den Gemeinden Schwäche, Passivität, Gemütlichkeit gepredigt werden? Jesus appelliert an die Lebensklugen, die Aktiven, die Risikobereiten.
Die Kirche müsse Menschen auffangen, heißt es. Jesus reizt Menschen. Seine Worte sind frech, provozierend, missverständlich, gefährlich. Er droht und er lockt. Damit wir den Hintern hochbekommen, handeln, frei und mündig werden. Er lockt mit Freude und Belohnung (der Schatz im Acker). Wenn wir die Welt nehmen, wie sie ist und auf den Himmel hin handeln, wird Gott uns überreich belohnen. Sagt Jesus.
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