Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

27. Sonntag im Jahreskreis (A), 5. Okt. 2014

13/10/2014 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Gott schreit. „Er hoffte auf Rechtsprechung, doch siehe: Rechtbrechen, auf Gerechtigkeit, doch siehe: der Rechtlose schreit.“ Gott schreit.

Darum geht es in der (ersten) Lesung und im Evangelium dieses Sonntags: Um Enttäuschung, Zorn und Vergeltung. Um Recht und Unrecht. Das sind keine Texte zum Wohlfühlen. Es sind Texte über unseren Alltag, wo es alles das auch gibt.

„Einen Weinberg hatte mein Freund auf fruchtbarer Höhe.“ – Gott legt einen Weinberg an: sein Volk Israel. Jeder Weinbauer, jeder, der schon einmal etwas aufgebaut hat, kann die Mühe, die Fürsorge, den Stolz nachempfinden. Und die tiefe Enttäuschung, die folgt: „Er hoffte, dass er süße Trauben brächte, doch er brachte saure Beeren.“

Auch was im Evangelium passiert, kann jeder hier nachvollziehen. Die Winzer verweigern dem Eigentümer sein Recht; dann üben sie Gewalt aus gegen seine Leute; dann töten sie den Sohn des Eigentümers und rauben ihm den Besitz. Unrecht, Rechtsbruch, Gewalt, Strafe: uralte Texte mit ganz modernen Problemen. Die Probleme, die Gott mit uns hat, sind nicht viel anders als die, die wir miteinander haben. Bis hierher können wir folgen. Der nächste Schritt ist schwierig.

Der, der den Weinberg anlegt, ist Gott; der, dem der Weinberg gehört, ist Gott. Ein Gott, der sorgt, der besitzt, der gibt, der straft: Das ist es, was heute kaum einer versteht. Und so riskieren diese Texte, ins Leere zu laufen. Denn wo sorgt Gott für uns? Was besitzt Gott hier? Was gibt Gott uns? Der moderne Mensch sorgt für sich selbst. Er kann nicht sehen, was Gott ihm gegeben hätte. Ein blinder Zufall teilt zu (der eine lebt in Europa, der andere im Irak), – und den Rest leisten wir selbst.

Warum lassen sich so wenige auf Gott ein? Weil sie in der Kirche von einem Gott hören, der fordert, aber nicht erkennen können, was Gott ihnen im Gegenzug gibt. Wir sind mit der Aussicht aufs Paradies nicht mehr zu locken. Und so kommt es, dass, wie die boshafte Schwester Friedrichs des Großen schreibt, nur „die Alten und Hässlichen dem lieben Gott anheim fallen“. Die anderen brauchen Gott nämlich nicht.

 

Man kann Strukturen reformieren, Werke gründen, weiterbilden, nach Medjugorie pilgern – aber schlussendlich hängt das Schicksal der Kirche an der Gottesfrage. Wer ist Gott? Was gibt er uns? Was geben wir ihm?

Wenn wir in Hochform sind, brauchen wir den Glauben nicht. Und in den Krisenzeiten ist es nicht viel besser. Wir beten dann inniger; aber wenn Menschen bitten müssen, fühlen sie sich schwach. Wenn wir schwach sind, werden wir gläubig: Das ärgert uns. Schwäche ist keine gute Basis für eine Beziehung.

Hinzu kommt, dass sich gerade im Unglück der Gedanke aufdrängt: Das, was Gott gibt, kann auch schnell wieder weg sein. Gott (wenn es ihn gibt) ist launisch. Warum also sich einlassen auf Gott?

Als die Mönche aus Irland zu den germanischen Stämmen kamen, predigten sie ihnen einen mächtigen, starken Gott. Das funktioniert heute nicht mehr. Wir erleben keinen starken Gott. Jahrhundertelang, bis weit ins 20. Jahrhundert, glaubten die Menschen, weil sie Angst hatten vor der Strafe der Hölle. Auch das funktioniert nicht mehr. Wie also kann heute einer glauben? Denn dazu sind uns diese Texte ja gegeben: damit wir an Gott glauben.

Heute kann einer zum Glauben kommen, wenn er Gott beobachtet und zusieht, ob er sich auf ihn einlassen will. Wenn er eine Zeitlang mit Gott lebt. Wo lernt man Gott kennen? In der Schrift. Und in denen, die behaupten, an Gott zu glauben. Welche Verantwortung!

Heute lernen wir einen Gott kennen, der die Initiative ergreift, der Einsatz zeigt, sich müht und wartet und bangt: Wird der Weinberg Frucht bringen? Werden da Menschen sein, die gute Frucht bringen?

Frucht bringen: Wie viele fremde (!) Menschen habe ich letzte Woche liebevoll behandelt? – Wie oft habt habe ich letzte Woche liebevoll die Wahrheit gesagt? – Wo habe ich Gerechtigkeit für die gefordert, die ich nicht leiden kann?

Wir lernen einen Gott kennen, dessen Besitz angegriffen wird. Der auf Gerechtigkeit hofft, aber Gewalt erfährt. Gott schreit.

Und wird die strafen, die verderben, was ihm gehört. Die andere Menschen verderben, in der Ehe, in den Medien, in der Kirche, im Unternehmen. „Das Reich Gottes wird euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt.“

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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