Nichts als die Wahrheit
Meine Gedanken zu dem jüngsten Buch von Erzbischof Gänswein – von Ulrich Glaunach. „Nichts als die Wahrheit, mein Leben mit Benedikt XIV“ nennt Erzbischof Georg Gänswein sein jüngstes, gemeinsam mit dem Journalisten Saverio Gaeta geschriebenes Buch, welches Anfang 2023 aus dem Italienischen übersetzt, nun im Herder Verlag auch auf Deutsch erschienen ist. Ich muss gestehen, dass sowohl der Titel „Nichts als die Wahrheit“ als auch der Zeitpunkt des Erscheinens (so kurz nach dem Tod Papst Benedikts) mir so reißerisch erschien, dass ich mich – nachdem ich das Buch geschenkt bekommen hatte – eher zögerlich an die Lektüre machte. Auch die grellen Meldungen über das rasche Erklimmen einer Spitzenposition auf der Spiegel Bestsellerliste hatten mich in dieser Zurückhaltung bestärkt. Dann aber hat unser Delegationsseelsorger in Kärnten, Monsignore Emmanuel Longin, uns das Buch zum Lesen während der Fastenzeit empfohlen. Folgsam habe ich mich also an die Lektüre gemacht und diese – so viel schon vorweg – nicht bereut. Ich las mit Interesse von der Jugend, vom Leben, von der Arbeit Kardinal Ratzingers, natürlich dann von der Papstwahl und vom Wirken Benedikt‘s des XIV als Papst. Vieles davon war bekannt, aber die chronologische Zusammenführung und die Betrachtung aus dem privilegierten und vertrauten Blickwinkel Georg Gänsweins empfand ich bereichernd. Wertvoll bei der Lektüre empfand ich die so grundsätzlich formulierten Worte des Papstes zu unterschiedlichen theologischen Fragen. So las ich etwa, dass die Kirche die Arbeit für den leidenden Menschen nicht anderen Organisationen übertragen kann; das ist doch ein Ansporn für uns Malteser! Oder aber über das ewige Leben und die Frage, ob dieses für den Menschen heute noch so erstrebenswert sei. Und über viele andere Überlegungen, alle so präzise und mit so großer Tiefe formuliert, dass sie für jeden Leser wertvoll sein müssen. Besonders genossen habe ich die Passagen, in denen der feine Humors des Papstes aufblitzt. Der Autor erzählt all dies liebevoll und es ist erkennbar, dass Georg Gänswein wohl der Mensch ist, der Papst Benedikt am besten kannte. Natürlich ist es auch interessant, über den Lebensweg des Autors zu lesen. Wie er zum Priesteramt fand, was ihn mit Kardinal Ratzinger zusammenführt und schließlich zu seinem Sekretär gemacht hat. Auch wie sich für ihn die Arbeit in großer Nähe einer so wichtigen Persönlichkeit „angefühlt“ hat. Da wird beschrieben, wie der Autor als Sekretär seinem Dienstherren nahezustehen möchte, und diesen vielleicht auch zu „beschützen“ sucht, vor den vielen einströmenden Einflüssen. Darüber war auch an anderer Stelle zu lesen. Deutlich – und vielleicht menschlich nachvollziehbar – wird dabei auch der Anspruch auf Anerkennung und Status, wie dies im Vatikan vielleicht noch stärker Triebkraft ist´, als in weltlichen Organisationen. „Während der Herr auf das Leiden zugeht, während die Kirche und in ihr er selbst leidet, sind wir bei unserem Lieblingsthema, bei der Frage nach unseren Vorrechten“ hat – so lese ich – Kardinal Ratzinger im Jahr 2000 zu diesem Thema gesagt. Interessant für mich war auch das Kapitel über die Reifung des Rücktrittsgedankens bei Papst Benedikt. Wie viele in unserem Orden erinnere ich mich gut an die Ankündigung des Rücktrittes am 11. Februar 2013, nur zwei Tage nachdem er mit so vielen von uns im Petersdom die 900 Jahre der Souveränität des Ordens gefeiert hatte. Insgeheim denke ich, dass diese große Veranstaltung vielleicht Eingang in das Buch gefunden hat. Dass wir vielleicht lesen können, wie sich unsere Feier aus der Sicht des Papstes in die Kette der Ereignisse eingefügt hat. Ich bin dann fast ein bisschen enttäuscht, dass wir keine Erwähnung finden. Aus der darauffolgenden Beschreibung des Zusammenlebens zwischen dem emeritierten Papst und dem neuen Amtsträger wird ersichtlich, wie schwierig eine solche Situation sich trotz bester Vorsätze gestalten kann. Ohne anmaßend sein zu wollen, denke ich beim Lesen, dass jeder, der ein wichtiges Amt an einen Nachfolger weitergibt aus dieser Schilderung und den beschriebenen Pannen lernen kann. Schließlich beschreibt Georg Gänswein noch, wie schmerzhaft, offensichtlich sein von Papst Franziskus gewünschtes Ausscheiden aus dem inneren Kreis um den neuen Heiligen Vater empfunden wird. Wer Kirche, aber auch unseren Orden beobachtet, weiß, wie hölzern und unelegant oft mit scheidenden Amtsträgern umgegangen wird. Bedauerlich, dass Erzbischof Gänswein da so gekränkt wurde, dass er diese Beschreibungen öffentlich machen wollte. Uns Allen, die im Orden oder anderswo an leitender Stelle sind, sollte das ein Ansporn sein, im eigenen kleinen Umfeld mehr und klarer zu kommunizieren und mehr Güte walten zu lassen. Zum Abschluss möchte ich eine Passage zitieren, die beschreibt, warum gerade das Christentum im Wettbewerb der antiken Religionen einen so überraschenden Sieg davongetragen hat. „In einer Welt der Korruption, der Gewalt, der Sittenlosigkeit ohne gemeinsames Engagement für das Gute, führten die Christen ein redliches, anständiges und gütiges Leben und litten, ohne Böses zu tun. Ein solches Leben war ein so radikales, offensichtliches Zeichen, dass es überzeugte, denn ein solches Leben lässt sich nicht mit rein menschlichen Kräften erklären, sondern es ist ein wirklicher Beweis, dass Gott es ist, der dieses Leben schenkt.“ Das kann doch auch in heutiger Zeit Hoffnung geben! Also an alle, die vielleicht – so wie ich vor einiger Zeit – das Gänswein-Buch noch am Nachtkasterl liegen haben: Bitte lesen, es zahlt sich aus. Georg Gänswein, Saverio Gaeta. Nichts als die Wahrheit. Verlag Herder, 2023, 320 Seiten. ISBN: 978-3-451-39603-8, 28,00 Euro. Dieses Buch haben wir in unserer Zeitung „Die Malteser“ – Ausgabe 2023/2 – vorgestellt!NICHTS ALS DIE WAHRHEIT