Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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3. September 2022, Abschied von Mailberg

03/09/2022 


Die Predigt zum Anhören

Hochwürdiger, lieber Herr Pfarrer!
Hochwürdigste und hochwürdige Herren!
Verehrte und liebe Schwestern und Brüder aus dem Souveränen Malteser-Ritter-Orden!
Verehrte Frauen von Mailberg! Liebe Mailberger Männer!
Hochgeschätzte Gäste aus dem Pfarrverband!
Liebe Kinder!
Liebe Freunde! Geachtete Gegner!

Ich habe Erfahrung in Abschieden. Die Welt, aus der ich komme, gibt es schon lange nicht mehr. Viele hier kennen das. Abschiede kenne ich auch, weil ich verlassen wurde, nicht nur einmal. Eine atemberaubende Erfahrung… Dann ist da noch die Kirche. Sie fordert immer wieder von uns, von Liebgewordenem Abschied zu nehmen. Was gibt sie uns eigentlich dafür? Heute weiß ich auch, dass letzte Besuche und Gespräche immer etwas Unbeholfenes haben. Vielleicht glücken Abschiede nie. Dennoch kann ich nicht einfach so gehen. Hat der Herr Dechant mir gesagt. Es braucht eine Form.

Die übliche gefällt mir nicht. „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“ Das geht nicht. Soll ich Ihnen Danke sagen? Wem allem? In welcher Reihenfolge? Und was mit denen, die auf keinen Fall erwähnt werden wollen? Ich bin sehr vielen von Ihnen sehr dankbar. Das wird bleiben. So muss es genügen.

Nein, zwei Ausnahmen müssen sein. Lieber Herr Bürgermeister, ich danke Ihnen für die viele, viele Hilfe, die die Pfarre von Ihnen erfährt. Für das Beispiel Ihres Glaubens. Und dafür, dass Sie mich immer gut behandelt haben. Sie und Ihre Frau werde ich wirklich vermissen, ich sage das voller Hochachtung.

Herr Gogl! Es ist Ihr Wunsch, heute zusammen mit mir den Dienst an der Pfarre zu beenden. Es sei! Aber katholisch müssen Sie bleiben! Seit 2015 haben Sie und Ihre sehr verehrte, liebe Frau der Schloss- und Pfarrkirche gedient. Wirklich gedient. Jeden einzelnen Tag, ohne Unterbrechung. Das macht, wir haben nachgerechnet, 2.803 Tage. Hin zur Kirche, wieder heim, zweimal am Tag. Das macht 12.582 Wege. Nicht nur Auf- und Zuschließen, damit unter Tag die Touristen zum Schauen hereinkönnen und die Mailberger*innen zum Beten. Auch jeden Tag den Teppich im Eingang absaugen, mindestens einmal wöchentlich die Kirche aufwaschen, sich um das ewige Licht kümmern, die Fliegen, diese Mistviecher wegsaugen, Glühbirnen wechseln, Kerzen säubern. Und viele Kerzen stiften, damit bei Unserer Lieben Frau von Mailberg immer ein helles Licht brennt. Ich bin schwer beeindruckt, wenn ich diese Statistik bedenke. Noch beeindruckter bin ich allerdings, wenn ich sehe, wie gut Sie, Herr Gogl, sich um Ihre Frau kümmern in diesen schwierigen Zeiten. Frau Gogl, werden Sie uns nur wieder gesund, damit Sie weiter ein Auge haben können auf Walter Gogl, den wilden Vogel!

Ich will die Mailberger heute auch nicht um Verzeihung bitten. Ich habe Sie so oft um Verzeihung gebeten für meine Fehler, Ungeschicklichkeiten, Grobheiten, Härten. Auch loben will ich nicht. Ich habe so viel und so gerne gelobt. Die Mailberger haben mich oft und oft begeistert.

Der schönste Moment in all den Jahren? Das war vor langer Zeit, als ich vor Beginn der Osternacht das Exsultet probte, allein in der beinahe dunklen Kirche – und sah, dass die Ministranten hereingekommen waren und sich still in die letzte Bank gesetzt hatten. Stefan Peer war sicher dabei, vielleicht auch Klemens Waltner oder Thomas Brunthaler… Junge Mailberger, die von sich aus die Kirche betreten und still da sitzen, vielleicht beten. Das war der schönste Moment. Der schlimmste war jener Abend drunten in der Volksschule, wo ich mit Ihnen über den Altar in unserer Kirche reden wollte.

An jenem Abend wurde ich gebrochen. Von denen, die das Wort führten und von denen, die schwiegen. Kein Mensch hat mir beigestanden. Dennoch bin ich bei Ihnen geblieben. Das ist der Punkt. Beim Partner bleiben, bei den Kindern bleiben, auch wenn sie zwider werden, bei der Kirche bleiben. Nicht austreten.

Ich habe gerne und viel mit Ihnen gelacht. Ihre Hilfsbereitschaft hat mich immer wieder gerührt. Die kleine Schar, die am frühen Morgen des Fronleichnamstages alles so herrlich schmückt. Für ein Dorf, das weiterschläft. Ich habe Ihre Fertigkeiten bewundert – bei den Blumen, in der Küche, beim Reparieren, im Zusammenhalten. Die stillen Messen in der Kunigundenkirche oder im Pfarrhof: Das waren schöne Momente. Und wenn die Kinder vom Spielplatz gelaufen kamen, um mich zu begrüßen. Schön waren auch die gemütlichen Dekanatssitzungen drüben in Hadres oder das Stundengebet mit den Rittern oder der Glaubenskurs nach der Vorabendmesse. Ich hätte gerne öfter mit Ihnen über Gott gesprochen! Sie ahnen nicht, was es mir da bedeutet zu erfahren, dass Blumendamen bei ihrer Arbeit hier in der Kirche über den Glauben sprechen.

Ich bin in den fast zwanzig Jahren kein einziges Mal leicht nach Mailberg gefahren. Ich habe jede Fahrt mit schwerem Herzen angetreten, jede einzelne. Wenn ich dann hier bei Ihnen war, ging es besser. Ich habe Sie sehr lieb gewonnen. Ich rechne es Ihnen hoch an, dass Sie sich mit der Zeit auf mich eingelassen haben. Aber die Arbeit hier, die war mir immer schwer. Wenn in Wien zu den schönsten Gottesdiensten keiner kam, dann war bloß meine Eitelkeit gekränkt. Ich wusste ja: Die Ritter gehen eben woanders zur Messe. Hier aber habe ich gelitten an jedem leeren Platz in der Kirche; ich habe gelitten, wenn ich jemanden beerdigen musste, dem ich nie die Krankenkommunion hatte bringen dürfen. Leiden, wenn das Standesamt einen Kirchenaustritt meldete. Leiden, wenn die Kommunionkinder die Karwoche nicht mitfeierten. Wenn ich hier alleine beten musste.

Das ist ein grauenvoller Beruf. Im wörtlichen Sinn. Der Priester stellt sich dem Grauen der Seele, Er begegnet, in sich selbst und in seiner Gemeinde, dem Menschen, der sich gegen Christus entscheidet. „Nein, heute keine Sonntagsmesse…“ – Aber mit dem Leiden ist es aber so: Wenn es schiefgeht, macht es den Menschen bitter; wenn es gut geht, macht das Leiden uns liebevoller. Auf jeden Fall aber macht das Leiden mürbe. Müde.

Trotz alldem haben wir zusammen etwas sehr Gutes auf die Beine gestellt. „Sie waren sehr lang in Mailberg, es sind Beziehungen gewachsen und Sie haben viel aufgebaut“, schrieb mir der Herr Dechant. Damit hat er auch die Mailberger gemeint.

Die Lesungen dieses Sonntags passen gut auf diese Stunde, Sie haben es schon in der Predigt verstanden. Ein Punkt bleibt noch. Paulus spricht heute vom Vater-Sein. Vor 20 Jahren schrieb mir Kardinal Schönborn einen Brief: Ich solle für meine Gemeinde ein Vater werden. Ich wäre eigentlich lieber Ihr DJ als Ihr Vater geworden, aber wenn der Erzbischof es sagt… Was ist ein Vater? Einer, der Verantwortung übernimmt. Der für die Seinen sorgt. Der ihnen Zeit, Energie, viele, viele Gedanken schenkt. Der ihnen hilft, erwachsen zu werden. Der Vater ist einer, der seine Pflicht tut. Und sich nicht lange grämt, wenn er mal nicht geliebt wird. Der sie ziehen lässt und selbst bleibt. Vielleicht ist es ja so: Sie gehen heute weg von mir, ich bleibe. Sie suchen nun ihren eigenen Weg zu Gott; ich bleibe, mit Gottes Hilfe, dort, wo ich immer war: im römisch-katholischen Glauben.

Und nun geht es wohl in die Stille hinein, vielleicht in die Einsamkeit. Es steht nicht zu erwarten, dass ich jemanden finden werde, der denkt wie ich denke. Auch gut. – Kennen Sie Snoopy, den coolen kleinen Hund der „Peanuts“, der gerne auf dem Dach seiner Hütte liegt und in den Himmel schaut? Dem sagt mal irgendein Schlaumeier: „An einem dieser Tage werden wir sterben“. Da sagt Snoopy: „Ja. Aber an allen anderen Tagen leben wir.“

Ich gehe und lasse Sie bei guten Priestern und Diakonen. Gut, weil sie an Christus glauben, ihren Beruf ernst nehmen und die Ruhe bewahren.

Ich finde, es war richtig, dass ich bei Ihnen war. Wäre schön, Sie könnten das auch so sehen.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

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