Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Dienstag der 24. Woche im Jahreskreis (19. September 2017)

19/09/2017 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Die „wirkliche Wirklichkeit“. In diesem Ausdruck liegt der ganze Charme des Glaubens. Die „wirkliche Wirklichkeit“.

Der Glaube ist die große Gegenkraft. Gegen die schleichende Einengung des Lebens, gegen den Verlust der Dimensionen. Kraft für die Ahnung, dass da mehr ist; Kraft für die Gewissheit, dass dieses Mehr nicht zu greifen ist und dass nichts auf Erden es halten kann.

Der Glaube entdeckt im Brot und im Wein den Auferstandenen; in der langweiligen, verspieserten Kirche die Gemeinschaft der Heiligen. In der Welt den Schöpfer, in der Mutter die Jungfrau, im getauften Kind den König, in der Frau den Priester und den Heiligen Geist im Windhauch.

Gleichzeitig ist der Glaube ganz da, auf dieser Erde. Er scheut Fantasterei und Extravaganz. Er ereignet sich im Wasser, das uns tauft, im Öl, das uns salbt, im Körper von Frau und Mann, im Brot und im Wein der Messe, in der Hand, die sich auf den Kopf legt und Kraft weitergibt.

In der Lesung hieß es: „Und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“ Theologisch mag das wahr sein, tief, weit reichend, – aber wen rührt dieses Wort an? Welches Leben verändert es? Woher die eigentümliche Sterilität der Worte, die wir doch zum „Wort des lebendigen Gottes“ ausrufen? „Und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“ Warum schlägt Sie dieses Wort nicht? Warum trifft es nicht auf Ihr Herz – und lebendiges Wasser strömt heraus?

Ich will Ihnen das Wort wegnehmen; ich will es vor Ihren Augen öffnen wie einen Granatapfel – und dann sollen Sie zugreifen. Weil Sie das Wort begehren, wie man eine Frau oder einen Mann begehrt. Predigen ist Steinebrechen. Zuerst den Stein im eigenen Inneren, den Granit des eigenen Verstandes.

„Und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“ Gott zieht in den Menschen ein wie Frühregen in die trockene Erde. Gott zieht in eine Gemeinschaft ein. In uns. Gott wird aktiv. In uns und durch uns. Gott handelt, um alles an sich zu ziehen: die große Bewegung.

Die Bewegung Gottes, die Sie am Schreibtisch, am Herd, im Auto, in der Schlange vor der Kassa nicht spüren, die Sie vergessen, – und an die Ihre Kirche sie erinnert, wie sie sich selbst erinnert. Das ist der Sinn aller Liturgie: Erinnerung an das Bewegen Gottes. Erweiterung des Gesichtsfeldes.

Erinnerung, die zur Aufmerksamkeit führt. Dese wiederum führt zur Erkenntnis: Er ist da. Erstaunlich: Gott ist spürbar, sogar erkennbar in Zeichen und in Wirkungen: im Frieden. In der Freude. In der ruhigen, demütigen Gewissheit. Und im Trost. In der hellen Erleuchtung. In allem, was die Liebe begleitet. Gott ist nicht fern und Gott ist weit.

Wir erfahren Gott. Wenn wir beten. Im wahren Leben der Kirche: in den Sakramenten. In der Gottesliebe und in der Nächstenliebe. Erfahrung zeugt eine Gewissheit. Sie wird bestärkt durch die Stimmigkeit, durch die Harmonie, durch den Zusammenklang mit der Erfahrung der anderen. Sie sind Zeugen für mich, ich bin Zeuge für Sie: So sollte es sein.

Zeuge sein, heißt nicht, aus dritter oder vierter Hand berichten. Das wäre nur Geplapper, Kultur, Archäologie, das würde nur das Wissen vermehren. Wozu? Kommen Sie hierher, um nachher mehr zu wissen? Ich will doch nicht wissen, ich will leben!

Das bedeutet: sich von der eigenen, selbst gemachten, erarbeiteten Weisheit zu entfernen, immer weiter. Damit alles von Gott kommt. Gott ist der absolute Anfang. Quelle. Norm. Das ist das eigentliche Werk des Glaubens: sich dem zu öffnen.

Es gibt Zeichen, dass etwas von Gott kommt und nicht nur von uns: die Stimmigkeit unseres Lebens; die Effizienz unserer Liebe, der geführte und bestandene Kampf mit allem, was Gott entgegen ist. Die Schrift nennt es „die Welt“ oder „das Fleisch“. Der Name ist nicht wichtig; wichtig ist das Gespür für das, was nicht zur Liebe gehört, nicht heilig ist, nicht rein, nicht Gott.

Gemeinschaft ist ein Zeichen, dass etwas von Gott kommt. Nicht die Gemeinschaft der Kaserne, der Sekte oder der Kaste. Die Gemeinschaft der Heiligen, – die vielfältig ist, aber nie zersplittert; die erkennt, aber nicht behauptet.

„Ich befehle dir, junger Mann: Steh auf! Da richtete sich der Tote auf und begann zu sprechen.“ Das ist der mächtigste Beweis des Heiligen Geistes: wenn es vom Tod zum Leben geht. Jede Versöhnung, jeder Trost, jede Erkenntnis der Wahrheit ist ein Schritt vom Tod ins Leben. Ostern, Auferstehung.

Die Taufe. Der Heilige Geist zeugt Töchter und Söhne Gottes. Wirkliches Leben.

Leben als eine Tochter oder ein Sohn Gottes führt in die Wirklichkeit.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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