Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Hochfest der Epiphanie, 6. Jänner 2017 – Das Sehen –

08/03/2017 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Das heutige Hochfest heißt „Epiphanie“. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Erscheinung“. Das Fest „Erscheinung des Herrn“. Erscheinung ist das, was man sieht. „Ich glaube nur, was ich sehe“, behaupten viele.

Das Fest erzählt eine Geschichte vom Sehen. Die „Sterndeuter aus dem Osten“ sagen: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen.“ Sie sehen einen Stern: So geht die Geschichte an. Was sehen sie dann, als sie in Bethlehem ankommen? Eine Familie, Vater, Mutter, Kind. So scheint es. Ein Baby, so scheint es. So ist es – und so ist es nicht. Der Vater ist nicht der Vater, die Mutter ist Jungfrau, das Baby ist der König der Welt. Was sieht Johannes, als er Jesus im Jordan tauft? Eine Taube am Himmel. Was sieht Maria bei der Hochzeit von Kana? Große Krüge voll von exzellentem Wein. Und was sehen Sie? Was sehen Sie, wenn Sie neben sich blicken zuhause? Eine Frau. Nein, nicht eine Frau, sondern die Frau ihres Lebens. Was sehen Sie hier? Ein Bauwerk aus der Barockzeit. Nein, Sie sehen Ihre Geschichte (…) Was sehen Sie hier noch? Kinder. Nein, nicht bloß Kinder. Sie sehen die Zukunft Mailbergs. Und ich setze hinzu: Sie sehen Priester, Könige und Propheten, denn diese Kinder sind getauft und gesalbt. Und was sehen Sie auf dem Altar? Brot. Ein Stück weißes Brot? Ja. Nein. Sie sehen das Wunder der Eucharistie. Was aussieht wie Brot, ist in Wahrheit der Leib Jesu.

Wir Menschen können nicht lieben, wen wir nie geschaut haben. Wir können einem anderen nicht helfen, wenn wir die Hilfe nur denken. Wir müssen fühlen, anpacken, tun, sehen. Ohne unsere Sinne können wir nichts erkennen. Menschen können nicht Menschen sein, ohne sich anderen zu zeigen und von anderen wahrgenommen zu werden. Alle Ihre Beziehungen – Partner, Freunde, Feinde – beruhen darauf. Wenn Sie sich nicht zeigen, niemals, werden Sie nie wahrgenommen werden; dann ist da keine Beziehung. Dann sitzen Sie nur im gleichen Zimmer mit dem anderen. Für eine Beziehung müssen Sie den anderen anschauen! Und er Sie. So ist die Welt von Gott erschaffen. Und Gott ist in diese Welt eingetreten. Wie die Natur so funktioniert auch der Glaube nicht ohne das Zeigen und Sehen, nicht ohne Erscheinung und Wahrnehmung. „Epiphanie.“ Gott zeigt sich den Menschen, und Menschen nehmen Gott wahr. Zeigen und Sehen, Erscheinen und Wahrnehmen sind existenziell für uns. Aber zum Sehen muss das Wort kommen. Der Gedanke. Die Bedeutung. Wenn Sie ein Kind sehen und dazu das Wort sprechen „meine Tochter!“, „mein Sohn!“, dann wird alles anders. „Ein Kind“, das ist etwas anderes als „mein Kind“.

Das Sehen ist wichtig (selbst Blinde sehen auf ihre Weise); aber es ist nicht alles. Und deswegen ist es einfach dumm zu sagen: „Ich glaube nur, was ich sehe!“ Das Gebet des hl. Thomas von Aquin bringt es auf den Punkt: „Augen, Mund und Hände täuschen sich in dir, / doch des Wortes Botschaft offenbart dich mir.“ Er hat das gebetet, wenn er täglich in der Hl. Messe ministrierte.

Die Hirten in Bethlehem sehen ein Kind in einer Krippe. Aber von den Engeln wissen sie: Dieses Kind ist der Messias. Der Erlöser, auf den ihr Volk seit Jahrhunderten wartet. „Und sie freuten sich sehr!“ Die Sterndeuter sehen das Kind und seine Mutter. Aber ihr Herz sagt ihnen: „Das ist der König! Der König der Welt!“ Und sie fallen nieder und beten an. Johannes sieht, wie die Taube auf Jesus herabsteigt, und der Hl. Geist sagt ihm: Dieser ist der Sohn Gottes. Maria sieht, wie Wasser sich in Wein verwandelt hat und sie versteht: „Es ist der Herr.“

In jeder Messe kommt der Moment, in dem wir alle, Sie, die Ministranten, ich am Altar aufblicken zur heiligen Hostie. Die Hostie wird erhoben, gezeigt, und wir erkennen im Glauben: Das Wunder der Wandlung ist geschehen; er ist da. Von der Hostie schaut uns Jesus entgegen. Aus der Zukunft. Denn im Moment der Wandlung ist das Kreuz da; das, was vor 2000 Jahren geschah. Wir sind da, wir von heute. Und der auferstandene Herr ist da, der wiederkommen wird in Herrlichkeit. Die kommende Seligkeit ist schon da.

Maria hat ihn in ihren Armen gehalten; die Sterndeuter haben ihm ihre Geschenke gebracht; wir empfangen ihn in der Kommunion: Immer geht es um Leib und Seele. Und wir werden auferstehen mit Leib und Seele. Denn die ganze, wahre Seligkeit ist erst dies: IHN leiblich und geistig zu sehen. „Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht… lass die Schleier fallen einst in deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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